Meine Welt von Morgen

Interview mit Hans-Werner Sinn, Financial Times Deutschland, 04.11.2008, Nr. 215, S. 14

NEUE SERIE Die Weltwirtschaft steckt im Umbruch, ein Ende der Krise ist kaum absehbar. Was kommt danach? Die FTD fragt jetzt jeden Dienstag einen prominenten Ökonomen, wie die Welt von morgen aussehen könnte – und sollte.

Hans-Werner Sinn ist Präsident des Ifo-Instituts und Professor an der Universität München. Gerade ist sein neues Buch „Das grüne Paradoxon“ erschienen.

FTD Haben die USA als wirtschaftliche Weltmacht ausgedient?

Sinn Der Abstieg hat wohl begonnen. Die USA haben ein sehr schwieriges Jahrzehnt vor sich, in dem sie den Gürtel enger schnallen und mit einem niedrigen Dollar leben müssen, denn sonst bringen sie ihr gigantisches Leistungsbilanzdefizit nicht weg.

FTD Wird China 2020 die neue Weltmacht sein?

Sinn China ist die neue Großmacht, ohne Zweifel. Das Land wird es angesichts des Wachstums auch schaffen, die inneren Spannungen zu überwinden. Aber 2020 ist zu früh. China hat heute gerade mal ein Fünftel der Wirtschaftsmacht der USA. Erst nach 2030 wird das Land die USA überholen können.

FTD Was ist der radikalste Schnitt, den Sie sich für die Weltwirtschaft wünschen?

Sinn Wir brauchen dringend ein einheitliches System der Bankenaufsicht unter der Kontrolle des Internationalen Währungsfonds und der jeweiligen Zentralbanken. Wenn man das den Einzelstaaten überlässt, setzt ein Laschheitswettbewerb ein. Jeder versucht, den anderen durch weniger Regulierung zu unterbieten, um Bankengeschäft anzuziehen.

FTD Welche Strategie würden Sie dem neuen US-Präsidenten empfehlen?

Sinn Den Dollar niedrig halten, damit das Leistungsbilanzdefizit allmählich verschwindet. Und die Hausbesitzer retten, damit sie Kredite zurückzahlen können.

FTD Welche Maßnahme würde die Klimakatastrophe am ehesten verhindern?

Sinn Die Welt braucht ein weitgehend lückenloses System des Emissionshandels. Das ist nicht so utopisch, wie es klingt, denn seit diesem Jahr gibt es bei der Uno zwischen den Staaten bereits ein Emissionshandelssystem, das 30 Prozent des Kohlendioxidausstoßes der Welt erfasst. Außerdem hat Europa seit 2005 sein eigenes Handelssystem, das in das Uno-System integriert ist. Die große Herausforderung ist, die USA, China und Indien zu integrieren. Dann kommt der Rest auch.

FTD Steht die Globalisierung vor dem großen Rückschlag?

Sinn Die Globalisierung ist unaufhaltsam. Die Gewichte werden sich auf den Handel mit Asien verlagern. Der Protektionismus wird allerdings verstärkt, weil die Amerikaner auch auf diese Weise versuchen werden, ihr Defizit zu verringern.

Warum Hans-Werner Sinn die Deregulierung der Finanzmärkte für gescheitert hält, lesen Sie im kompletten Antwortbogen unter:
FTD.DE/WIRTSCHAFTSWUNDER