Die Gase der anderen

Interview mit Hans-Werner Sinn, Manager Magazin, 24.10.2008, Nr. 11/2008, S. 130

Umweltpolitik Hans-Werner Sinn hält den deutschen Kurs beim Klimaschutz für „absurd“.

Herr Professor Sinn, viele Klimaforscher und auch Umweltökonomen versuchen sich inzwischen möglichst klimaschonend zu verhalten: verzichten aufs Auto, wohnen energiesparend, essen kein Fleisch. Wenn wir Ihr Buch richtig verstehen, halten Sie das für Quatsch.

Sinn: Ja, sicher.

Alles total irrational?

Sinn: Wenn man Geld sparen will - okay. Aber niemand muss in Deutschland das Licht ausknipsen oder sonstwie auf Energie verzichten, um das Klima zu schützen.

Warum?

Sinn: Weil man damit nichts erreicht. Wir haben einen europäischen Handel mit Zertifikaten, die zum CO2-Ausstoß berechtigen. Es gibt eine feste Menge, die ausgestoßen werden darf. Die zwangsläufige Folge davon ist: Wenn wir hier CO2 einsparen, senken wir die Nachfrage nach Emissionszertifikaten, sodass andere mehr emittieren können.

Das heißt: Der Ausbau von Wind- oder Solarenergie ist irrational?

Sinn: Jedenfalls hilft das dem Weltklima nicht. Der CO2-Ausstoß bleibt konstant. So funktioniert das System nun mal. Dazu kommt, dass Energiesparen bei uns die Nachfrage und damit die Energiepreise senkt, sodass die Scheichs nur noch mehr Öl aus dem Boden pumpen, das dann eben andere - die Chinesen, die Amerikaner - verbrauchen. Diese Erkenntnisse liegen für mich im Bereich der Trivialitäten.

Und die Bundesregierung tappt ahnungslos in die Klimafalle?

Sinn: Das ist mein Eindruck. Ich habe das Gefühl, die kennen die ökonomischen Zusammenhänge nicht. Der physikalische Sachverstand ist da stärker ausgeprägt als der ökonomische.

Deutschland spielt seit Langem eine Vorreiterrolle im Umweltschutz. Entstehen so nicht technologische Vorteile?

Sinn: Industriepolitisch kann man das so sehen. Den CO2-Gehalt der Erdatmosphäre werden wir damit aber nicht stabilisieren. Um es klar zu sagen: Die fehlgeleitete und irrationale Klimapolitik der Bundesregierung, die absurderweise vor allem auf den Ausbau der Solarenergie setzt, kostet uns eine Menge Wohlstand und nützt dem Weltklima kein bisschen.

Klingt trist. Was nun? Emittieren, bis die Erde dem Hitzetod erliegt?

Sinn: Nein, wir müssen dringend die Emission begrenzen. Besser heute als morgen. Das funktioniert aber nur, wenn man alle Energieverbraucherländer einbezieht. Darum geht es nächstes Jahr bei den Verhandlungen in Kopenhagen zum Nachfolgeabkommen des Kioto-Protokolls. Amerikaner, Chinesen, Inder, Europäer, auch die Scheichs und die Russen - alle müssen dabei sein.

Alle oder keiner?

Sinn: Exakt. Sonst subventionieren nur diejenigen, die aktiven Klimaschutz betreiben, die Länder, die nicht teilnehmen. Für letztere werden Energie und CO2-Ausstoß dann nämlich billiger. Wir müssen denen klarmachen: Wenn ihr nicht mitmacht, machen wir auch nicht mit - dann nimmt die Klimakatastrophe eben ihren Lauf.

Das erinnert an die Logik des Kalten Krieges.

Sinn: Finden Sie? Die Welt muss gemeinsam dafür sorgen, dass die fossilen Brennstoffe im Boden bleiben. Wer wirklich etwas für das Weltklima tun will, der sollte neue Atomkraftwerke bauen, gerade in Deutschland.

Ihnen ist bewusst, dass Sie mit Ihren Thesen viele gegen sich aufbringen werden?

Sinn: Ja, klar. Aber bitte: Das basiert alles auf seriöser Mathematik ...

... die Sie radikal vortragen.

Sinn: Ich will ja die Leute kitzeln.