„Vorsicht Druckerpresse“

Hans-Werner Sinn

WirtschaftsWoche, 19. Juli 2025, Nr. 30, S. 41.

Unabhängige Notenbanken können das Geld- und Finanzsystem nachhaltig stabilisieren. Aber nur, wenn sie sich an ihr Mandat halten. Ein Gastbeitrag.

Amerika versinkt im Schuldensumpf. Die Staatsschulden und die Auslandsverbindlichkeiten der gesamten Volkswirtschaft wachsen ungebremst. Der Anteil des Staatsbudgets, der für die Zinslasten des Staates verwendet werden muss, ist bereits sechs Mal so groß wie in Deutschland.

Trotzdem finanziert US-Präsident Donald Trump sein „One Big Beautiful Bill“ mit noch mehr Schulden. Parallel dazu bittet er Freund und Feind auf der ganzen Welt mit einer aggressiven Zollpolitik zur Kasse, erpresst Schutzgeld von der Ukraine und bedrängt den Vorsitzenden seiner Notenbank, Jerome Powell.

Der aber weicht trotz wütender Beschimpfungen von Trump nicht zur Seite. Die in der Verfassung verankerte Unabhängigkeit der Notenbank schützt ihn vor Repressalien. Trump will Powell nun zu Leibe rücken, indem er vorzeitig einen Nachfolgekandidaten benennt. Der wird anschließend von Trump wohl nur ernannt, wenn er sich vorher öffentlich auf eine laschere Geldpolitik festgelegt hat. Davon dürfte der designierte Fed-Chef nicht mehr loskommen.

Nach der Finanzkrise von 2008 war die Fed schon mal großzügiger als unter Powell. Der damalige Vorsitzende Ben Bernanke erfand das „Quantitative Easing“, erwarb große Mengen an Staatspapieren mit Geld, das er dafür (physisch und elektronisch) „drucken“ ließ. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, machte es ihm wenige Jahre später nach – und ermöglichte ein in Relation zum Bruttoinlandsprodukt doppelt so großes Programm. Die Geldschwemme war so gigantisch, dass der Zündfunke der Lieferkettenunterbrechungen während der Pandemie ausreichte, um die größte Inflation der Nachkriegsgeschichte auszulösen.

Während die US-Notenbank daraufhin rasch mit Zinserhöhungen reagierte, brauchte die EZB viele Monate, bis sie die Zinsen erhöhte. Doch kaum ebbte die Inflation etwas ab, senkte sie die Zinsen wieder, und zwar weiter als ihr amerikanisches Pendant. Im Ganzen fuhr die Fed in den vergangenen Jahren eine deutlich restriktivere Geldpolitik als die EZB. Das war des Mittelmeerraums Rettung und Trumps Problem. Denn das Wasser steht ihm bis zum Halse, weil die Ratingagenturen die Zahlungsunfähigkeit der USA mittlerweile in den Bereich des Möglichen rücken.

In einem CNBC-Interview zu einem möglichen Konkursproblem des Staates hat Trump einmal betont, dass Amerika gar nicht zahlungsunfähig werden könne – weil es in einer Währung verschuldet sei, 
die es selbst drucken kann. Er übersieht, dass die Länder der westlichen Welt, auch die USA, ihre Notenbanken rechtlich unabhängig von der Politik gemacht haben, eben um die Selbstrettung über den Ankauf staatlicher Schuldpapiere durch die Notenbank zu ­erschweren.

Schulden ermöglichen es der Regierung, ihre jeweilige Klientel zu beglücken, doch der Schaden liegt bei anderen, die noch nicht bekannt sind und sich deshalb nicht wehren. Diese Gruppe reicht von den künftigen Steuerzahlern bis hin zu den Sparern, deren Geld durch Inflation entwertet wird.

Mittlerweile hat auch Deutschland eine Regierung, die es mit der Disziplin nicht mehr so genau nimmt. Mit allerlei Tricks sollen die Staatsschulden in drei Legislaturperioden um etwa 2500 Milliarden Euro vergrößert werden, also auf das Doppelte des heutigen Wertes anwachsen. Deutschland reiht sich damit ein in die Riege der Schuldenländer, deren Staat von einer inflationären Geldpolitik profitiert. Das Geld den Bürgern gegen Protest abtrotzen, das mag halt keiner.

Die Unabhängigkeit der Notenbank, verbunden mit dem Stabilitätsmandat, schützt das Gemeinwesen vor der Versuchung, über seine Verhältnisse zu leben. Sie sichert – um den Preis kurzfristiger Finanznöte – die langfristige Stabilität. Eine unabhängige Notenbank ist die wirksamste Schuldengrenze, wenn sie sich denn an ihr Mandat hält.

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