Bringt der Euro Vorteile? Wie viele Krisen kann Europa noch verkraften?

Hans-Werner Sinn

Interview, Focus Money, 20.06.2012, S. 28

Professor Hans-Werner Sinn, Ifo-Präsident und Starökonom, über das mögliche Platzen einer Euro-Blase, wie sich Europa gesundschrumpfen muss und warum Anleger jetzt lieber ihr Bad renovieren sollten.

FOCUS-MONEY: Herr Professor Sinn, wird der Euro überleben?

Hans-Werner Sinn: Ich vermute, ja. Aber nur, wenn wir den Euro-Raum gesundschrumpfen. Griechenland und Portugal sollten austreten. Diese Länder kommen im Euro-Raum nicht zurecht. Sie sind viel zu teuer und müssten abwerten. Das geht aber im Euro nicht. Es ist eine Euro-Blase entstanden, aus der jetzt die Luft entweichen muss. Wenn wir das nicht tun, platzt die Blase mit einem großen Knall.

MONEY: Welche Folgen hätte dieser Crash?

Sinn: Das weiß keiner genau. Aber eines ist sicher: Es wäre für alle Beteiligten verheerend. Das Szenario möchte momentan keiner durchspielen.

MONEY: Vergangene Woche musste Spanien Euro-Hilfen beantragen. Wie gefährlich ist die Lage in Madrid?

Sinn: Spanien plagen hohe Auslandsschulden. Das Land steht mit 93 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts bei ausländischen Gläubigern in der Kreide - das ist eine Summe von fast 1000 Milliarden Euro. Der Wert ist höher als bei allen anderen Krisenländern zusammen . . .

MONEY: . . . doch die gesamten Staatsverbindlichkeiten sind im Verhältnis zur Wirtschaftskraft sogar geringer als etwa in Deutschland.

Sinn:Das ist richtig, aber es geht hier vor allem um private, nicht um öffentliche Schulden. Die Gesamtverschuldung im Ausland ist - anders als etwa in Italien - besonders eklatant. Wegen des Platzens der spanischen Immobilienblase sind die Bankenbücher voll mit faulen Krediten.

MONEY: Welche spanischen Institute sind am stärksten betroffen?

Sinn: Da die Banken ihre Zahlen unter Verschluss halten, weiß man nicht genau, wie schlecht es wirklich um sie steht. Wie hoch die Abschreibungen auf faule Immobilienkredite sein werden, ist unklar. Das Volumen der ausstehenden Kredite ist jedenfalls mit über drei Billionen Euro gigantisch. Eine Bankenkrise ist wie ein Krebsgeschwür: Man denkt, man habe etwas geheilt, wenn man die sichtbaren Metastasen herausschneidet, aber die wahren Probleme bleiben im Innern der Bankbilanzen versteckt. Man muss sieben Jahre warten, um zu wissen, ob die Gefahren wirklich gebannt sind.

MONEY: Lindern die 100 Milliarden Euro, die Spanien erhalten soll, nur vorübergehend die Schmerzen?

Sinn: Ja. Die Lasten des Landes liegen bei einem Vielfachen dieses Betrags. Das Thema wird uns noch viele Jahre beschäftigen. Spanien hat schon 300 Milliarden Euro über das Kreditsystem der Europäischen Zentralbank bekommen. Mit den neuen Mitteln sind wir nun bei 400 Milliarden. Das ist zwar bald das Doppelte des Eigenkapitals der spanischen Banken, aber doch erst elf Prozent des Anlagevolumens. Da kommt noch einiges auf uns zu.

MONEY: Wollen Sie damit sagen, dass Spanien eine ähnlich schwere Krise auslösen könnte wie die USA?

Sinn: Ja, sicherlich. Und sie wird uns auch betreffen. Diese Art von verschachtelten Verbriefungen, die es damals während der Immobilienkrise in Amerika gab, haben wir hier in Europa zwar nicht. Aber die Ursprünge sind ähnlich: Es ist eine Immobilienblase durch zu viel billiges Geld entstanden. Banken haben zusammen mit ihren Kunden auf steigende Preise der Immobilien gewettet und Gewinne eingefahren. Jetzt sind die Preise gefallen, und die Investoren sitzen auf hohen Verlusten.

MONEY: Was können wir für Spanien tun?

Sinn: Am besten wäre es, wenn Spanien sich selbst rettet.

MONEY: Wie stellen Sie sich das vor?

Sinn: Man sollte alle Gläubiger spanischer Banken bitten, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten. Das bisschen Eigenkapital, das bei den Banken noch vorhanden ist, sieben Prozent der Bilanzsumme, reicht nicht aus, um die Verluste auszugleichen.

MONEY: Wen würde ein Forderungsverzicht treffen?

Sinn: Gläubiger in der ganzen Welt, vor allem französische Banken und Versicherer, aber auch deutsche Institute. Überall gibt es Forderungen gegenüber Spanien, und der Verfall würde viele Anleger treffen. Aber das ist immer noch besser, als Dritte zu belasten, nämlich deutsche Steuerzahler, die das Geld, das sie über die Rettungsschirme verleihen, nicht zurückkriegen werden. Es ist gerechter und auch für die Anreizstruktur des Kapitalmarkts besser, wenn diejenigen zur Kasse gebeten werden, deren Fondsmanager die Investitionsentscheidungen getroffen haben. Es gibt halt keine sicheren Anleihen auf der Welt. Ab und zu geht ein Geschäft schief. Spanien hat viele sinnlose Projekte finanziert. Man sieht es heute vor Ort an halb fertigen und verfallenden Wohn- und Bürogebäuden. Da ist nichts mehr zu holen, und auch die Baugesellschaften sind pleite.

MONEY: Das Szenario hört sich dramatisch an.

Sinn: Es ist dramatisch.

MONEY: Welches Land wird das nächste Spanien?

Sinn: Italien. Das Land hat zwar mit der Binnenschuld keine Probleme. Der Staat ist aber so stark verschuldet, dass das Land dringend Hilfe braucht. Denn: Ist der Staat pleite, sind die Banken es bald auch. Italien versucht jetzt, niedrige Zinsen von der Staatengemeinschaft zu bekommen und sich so selbst zu finanzieren. Das wird hoffentlich nicht gelingen, denn wenn es gelingt, dann nur, weil wir die italienischen Schulden auf dem Wege über Euro-Bonds oder ähnliche Konstruktionen übernehmen. Die italienische Notenbank sagt für 2012 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 1,5 Prozent voraus. Das bedeutet eine erhebliche Rezession.

MONEY: Wie viele Länderkrisen kann Europa noch tragen?

Sinn: Die Grenze des Tragbaren ist für meine Verhältnisse schon längst überschritten. Wir haben ein Rettungsvolumen auf den Tisch gelegt mit verschiedenen Hilfsprogrammen. Das Ausleihvolumen beträgt insgesamt 2100 Milliarden Euro. Das ist schon viel zu viel. Wir haben dabei einen großen Fehler gemacht: Wir haben den Finanzmärkten den kleinen Finger gereicht, und jetzt nehmen sie die ganze Hand. Dazu bedienen sie sich jetzt sogar der Politik. Selbst Präsident Obama beteiligt sich am Kesseltreiben gegen Angela Merkel. Man wird so lange auf Frau Merkel eindreschen, bis sie ja zu Euro-Bonds und einer Vergemeinschaftung von toxischen Papieren der südlichen Länder sagt.

MONEY: Welche möglichen Lösungen sehen Sie für den Euro-Raum?

Sinn: Es gibt nur drei mögliche Lösungen. Erstens: Wir finanzieren die Leistungsbilanzdefizite der anderen Ländern weiter, was eine Transferunion bedeuten würde. Dann müssten 60 Prozent der Euro-Bürger die restlichen 40 Prozent durchfüttern. Zweitens: Wir setzen auf eine interne Abwertung in den Krisenländern und nehmen dort eine Depression und Massenarbeitslosigkeit in Kauf. Im Fall von Spanien und Frankreich würde das eine zehnjährige Wirtschaftsflaute bedeuten, die diese Länder gerade noch verdauen könnten. Aber Länder wie Griechenland oder Portugal, die um ein Drittel abwerten müssten, um wieder auf einen grünen Zweig zu kommen, würden an den Rand des Bürgerkriegs getrieben. Und drittens: der Austritt der Krisenländer, die sich die Flaute nicht zumuten möchten. Dann würde die neue Währung automatisch abgewertet.

MONEY: Welche Lösung schlagen Sie vor?

Sinn: Ich bin dafür, den Ländern nichts vorzuschreiben, doch dagegen, die fehlende Wettbewerbsfähigkeit mit unseren Ersparnissen zu finanzieren, bis wir selbst blank sind. Länder können nicht erwarten, dass sie dauerhaft von anderen Ländern finanziert werden, um wichtige Entscheidungen vor sich hin zu schieben. Wem das Rettungsgeld nicht reicht, der möge bitte austreten und sein Heil in der eigenen Währung suchen.

MONEY: Was können EU-Länder zur Selbstheilung tun?

Sinn: Es wäre gut, wenn Länder wie Spanien, Italien und Frankreich im Euro blieben, aber sie müssen, wie gesagt, intern abwerten. Dazu müssen sie ihre Güterpreise senken - was vorher Lohnsenkungen bedeutet.

MONEY: Was meinen Sie konkret?

Sinn: Die Löhne sollten gekürzt werden, denn damit sinken die Preise. Ein Land, das zu teuer geworden ist, muss billiger werden. Laut Goldman Sachs und dem Ifo- Institut müsste Portugal 35 und Griechenland um 30 Prozent billiger werden - das werden sie kaum schaffen, deshalb sollten sie eigenständig werden und aus dem Euro austreten. Auch ist es fraglich, ob wir Malta und Zypern in der Währungsunion halten sollten.

MONEY: Um wie viel müssen andere ihre Preise senken?

Sinn: Spanien und Frankreich müssten ihre Preise um 20 Prozent senken. Italien braucht eine "Abwertung" um zehn bis 15 Prozent. Die drei könnten es schaffen, so wie Irland es geschafft hat. Dieses Krisenland hat seine Preise in den letzten fünf Jahren um 15 Prozent gegenüber den anderen Euro-Ländern gesenkt. Das war ein sehr, sehr schmerzlicher Prozess, und viele Leute gingen aus Protest auf die Straße. Aber es führte kein Weg daran vorbei. Das scheinen die anderen Länder nicht einzusehen. So, wie es jetzt aussieht, ist Europa ein Fass ohne Boden.

MONEY:Griechenland schuldet uns eine Menge Geld. Wer zahlt das bei einem Austritt zurück?

Sinn: Die Frage ist doch: Wer zahlt uns das überhaupt zurück? Bleibt das Land im Euro-Raum, wird es immer hohe Außenhandelsdefizite behalten und nie irgendetwas zurückzahlen können. Die einzige Chance auf eine Teilrückzahlung ist der Austritt, denn nur mit der Neueinführung der Drachme hat das Land die Chance, wettbewerbsfähig zu werden und wieder positive Zahlen zu schreiben. Dann könnten die Griechen einen Teil ihrer Schulden eventuell zurückzahlen.

MONEY: Sollte uns der Euro es wert sein, die Schulden der Krisenländer zu übernehmen?

Sinn: Nein. Der Euro ist uns allen lieb und teuer, aber irgendwo ist die Schmerzgrenze erreicht. Wir sollten dafür nicht unser Vermögen opfern.

MONEY: Aber die D-Mark behindert unsere Exporte . . .

Sinn: . . . Ja, schon. Aber die Aufwertung hätte auch gute Seiten, denn derzeit verkaufen wir unsere Waren unter Wert. Die Aufwertung bedeutet einen Realeinkommensgewinn für die deutschen Verbraucher, weil die Importe billiger werden. Das muss man der Erschwerung des Exports entgegenhalten. Im Übrigen würden Arbeitsplätze per saldo nicht verloren gehen, denn die Aufwertung käme zu Stande, weil das Kapital lieber in Deutschland bleibt und hier Arbeitsplätze schafft. In der Binnenwirtschaft würde mehr Dynamik entstehen, als in der Exportwirtschaft verloren geht.

MONEY: Ist der Euro trotzdem eine Erfolgsgeschichte?

Sinn: Ich war von Anfang an für den Euro, weil er den Handel in Europa beflügelt und zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum gehört. Ich bin immer noch dafür, doch bin ich nicht mehr ganz so euphorisch wie früher und muss anerkennen, dass manche Wunschträume sich nicht realisieren ließen. Jetzt kommt es darauf an, pragmatisch statt ideologisch an die Sache heranzugehen und im Einklang mit den harten Gesetzen der Ökonomie zu handeln.

MONEY: Wie stellen Sie sich ein optimales Europa vor?

Sinn: Ich hätte mir schon lange gewünscht, dass Europa die Organisation der Staaten so handhabt, wie Amerika es tut - dass wir mit den anderen Euro-Ländern eine gemeinsame Nation gründen. Allerdings hindern uns Länder wie Frankreich daran, die viel zu stolz dafür sind, ihre eigene Souveranität dafür aufzugeben.

MONEY: Kann die EZB mehr Zusammenhalt schaffen?

Sinn: Nein, sie ist schon viel zu weit gegangen. Sie gibt Kredite aus, die über die Eigenversorgung der Länder hinausgehen. Die Zentralbank hat nicht die Aufgabe, internationale Kreditströme zu organisieren und die Kapitalmärkte zu ersetzen. Die Aufgabe der EZB ist es, jedem Land das für den Eigenbedarf nötige Geld zu besorgen. Sie sollte nicht so viel Geld drucken, dass man sich damit per saldo Güter in anderen Ländern kaufen oder dort seine Schulden tilgen kann.

MONEY: Besteht die Gefahr einer Inflation?

Sinn: Nein. Die EZB hat das Geld, das sie neu gedruckt hat, in den Süden gegeben, dann floss es für den Kauf von Waren und die Schuldentilgung zu uns, und unsere Banken haben es an die Notenbank weiterverliehen, die es dann geschreddert hat. Dadurch stieg die zirkulierende Geldmenge weder im Süden noch im Norden an. Noch vor ein paar Jahren flossen von deutschen Banken Kredite zum Beispiel nach Griechenland. Dieses Geld kam dann in Form von Exportnachfrage zurück - Griechen kauften beispielsweise deutsche Autos. Jetzt hat man aber eine ganze Druckerpresse nach Griechenland verlagert. Der öffentliche Kredit ersetzt also einen privaten. Das Problem ist, dass diese Form der Geldpolitik verschuldeten Ländern den Anreiz gibt, mit dem frisch gedruckten Geld ihre Schulden zu beseitigen. Inflationsgefahren gibt es dadurch nur langfristig, wenn nämlich die Südländer ihre Macht im EZB-Rat ausspielen und sich der Rückzahlung ihrer Schulden durch Inflation entziehen wollen. Noch sind wir nicht so weit. Doch da Frankreich zusammen mit dem Club Med über 70 Prozent der Stimmen im EZB-Rat verfügt, ist das letztendlich nicht auszuschließen.

MONEY: Sind Sie nicht gut auf Frankreich zu sprechen?

Sinn: Frankreich hat den Euro mit der Brechstange in Europa durchgesetzt und den Schlamassel zu verantworten, den wir heute haben. Die französische Politik ist auf der ganzen Linie gescheitert. Die Franzosen wollten den Euro unbedingt. Sie wollten die Macht der D-Mark stürzen und genauso niedrige Zinsen haben wie Deutschland. Sie haben sogar damit gedroht, die deutsche Wiedervereinigung nicht zu akzeptieren, um den Euro zu bekommen. Helmut Kohl hat um des lieben Friedens willen nachgegeben. Aber die angebliche Friedenspolitik hat zu so extremen Spannungen innerhalb der EU geführt, wie wir sie seit der Nachkriegszeit nicht erlebt haben. Und es dreht sich immer im Kreis: Angela Merkel verkauft jetzt Rettungsschirme als Friedenspolitik. Aber letztendlich wird damit wieder nur die Grundlage für neuen Streit in der Zukunft gelegt, wenn wir die geliehenen Rettungsgelder zurückhaben wollen.

MONEY: Kann es ein friedliches Europa ohne eine gemeinsame Währung geben?

Sinn: Ja, natürlich. Es sind ja viele Länder im Euro, mit denen wir gutnachbarschaftliche Beziehungen pflegen.

MONEY: Sollte man den Euro entpolitisieren?

Sinn: Man sollte einfach früher das Risiko eines Crashes eingehen. Manchmal sind kleine Crashs gut. Man muss die Blasen rechtzeitig anritzen, damit sie nicht platzen. Dieses ganze Theater um Griechenland wäre nicht nötig gewesen, wenn wir frühzeitig gesagt hätten, dass wir ihnen nichts geben, bevor die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Politiker hantieren mit dem Geld der Steuerzahler in einer Art und Weise, die ich atemberaubend finde.

MONEY: Was passiert mit dem Geld der Privatanleger?

Sinn: Privatanleger werden hohe Verluste hinnehmen müssen, egal, was passiert. Wenn die Krisenländer im Euro-Raum bleiben und wir nichts geben, verlieren sie ihr Geld durch Staatspleiten. Wenn die Länder im Euro-Raum bleiben und wir sie finanzieren, dann verlieren die Anleger ihr Geld, weil die Staaten Vermögenssteuern einführen werden, um die Transfers zu bezahlen. Wenn die Krisenländer austreten, werden sie ihre Schulden in die neue Währung überführen und abwerten. Auch dann verlieren die Anleger einen Teil ihres Geldes.

MONEY: Gibt es überhaupt noch sichere Anlagen?

Sinn: Letztendlich geht es doch zurzeit nur noch darum, seine Verluste so gering wie möglich zu halten. Zumal Gewinne im Ausland kaum noch vorhanden sind, da man dort hohe Risiken hat. Anleger müssen jetzt zusehen, dass sie mit ihren Investments in sicheren Häfen bleiben. Deutschland ist momentan so ein Hafen - deutsche Aktien würde ich deshalb nach wie vor kaufen. Außerdem übernehmen die Schweiz und Dänemark zunehmend die Rolle der sichersten Länder. Hier drängt gerade viel ausländisches Geld hinein.

MONEY: Sehnen sich Anleger neben sicheren Häfen nicht trotzdem nach Renditemöglichkeiten?

Sinn: Renditemöglichkeiten werden leider durch die aktuelle Politik kaputt gemacht, da die EZB mit ihrer Notenpresse überall im Euro-Raum als Billigzins-Konkurrent auftritt. Das Kapital wird von ihr zu Zinsen zur Verfügung gestellt, mit denen ein Privatanleger gar nicht mithalten kann. Wenn Herr Draghi zum Beispiel den italienischen Banken für drei Jahre zu einem Prozent Kredite zur Verfügung stellt, ziehen es die dortigen Banken vor, sich das Geld bei Herrn Draghi zu leihen, statt es sich bei unseren Finanzinstituten zu besorgen. Die EZB macht uns als Sparern das Geschäft kaputt.

MONEY: Was empfehlen Sie Anlegern?

Sinn: Ich kann nur empfehlen, in etwas Reales zu investieren. Also etwas zum Anfassen und keine reinen Finanzwerte.

MONEY: Das wäre zum Beispiel?

Sinn: Renovieren Sie Ihr Bad, kaufen Sie sich eine Eigentumswohnung oder ein Grundstück. Am besten wäre es sogar, eine eigene Firma zu gründen. Besser, man ist Produktionshallen-Besitzer als gar kein Besitzer.

Das Interview führte Jana Tilz

VITA
Hans-Werner Sinn
Geboren am 7. März 1948 in Bake, Westfalen
1983 Habilitation an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
Seit 1984 Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der LMU
Seit 1999 Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung