Ökonomen an Wien und Berlin: Corona-Rechnung ist noch nicht gemacht

Die beiden Ökonomen Hans-Werner Sinn (früherer ifo-Chef) und Friedrich Schneider haben heute mit JKU-Rektor Meinhard Lukas die Rezession wegen der Coronakrise aus österreichischer, deutscher und europäischer Sicht diskutiert. Es ging auch um die Rolle der Regierungen in Wien, Berlin und der EU-Kommission in Brüssel. Die Wissenschafter waren sich einig: "Die Gesamtrechnung ist noch nicht gemacht."

Die Rezession werde jedenfalls stärker ausfallen als jene nach der Finanzkrise. Damals ging die Weltwirtschaft um einen halben Prozentpunkt zurück. Jetzt halten viele Ökonomen einen Einbruch von 7, 8 Prozent für realistisch. Hoffnung gebe grundsätzlich, dass die Wirtschaft praktisch nur unterbrochen und nicht aus eigenen Stücken eingebrochen sei, waren sich Sinn und Schneider ebenso einig.

Österreich werde es etwas schwerer haben aus der Krise zu kommen als Deutschland, so Schneider. Das sei den verhältnismäßig wichtigeren Sektoren Tourismus und Kultur geschuldet, die zudem auch besonders leiden. Während Deutschland laut Sinn 2020 und 2021 zusammengerechnet ein Wirtschaftswachstum von mehr als einem Prozent erzielen könne, werde Österreich Schneider zufolge in diesem beiden Jahren zusammengerechnet wohl ein Minus verzeichnen.

Die Krise spielt sich aber nicht nur in den einzelnen Nationalstaaten ab, sondern auch in der EU. Hier plädierten beide Wirtschaftswissenschafter massiv gegen die "nun wohl Gott sei Dank abgewendeten" Corona- bzw. Eurobonds. Beide sprachen sich dafür aus, das EU-Budget zu erhöhen und auch den geplanten neuen Hilfsfonds möglichst klein zu halten. Denn nur so sein eine demokratische Vergabe der Gelder garantiert. Eine Vergemeinschaftung der Schulden sei hingegen auf längere Sicht ein Himmelfahrtskommando.

Jedes Land würde es verkraften 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung ins EU-Budget einzuzahlen, so Schneider. Berlin und Wien standen ursprünglich ordentlich auf der Bremse und wollten höchstens 1 Prozent einzahlen. Doch Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) signalisierte zuletzt Bewegung für höhere Einzahlungen, um auf Unionsebene gegen die Krise vorzugehen. Schneider: "Mit 1,5 Prozent könnte man auch die Kommission anders in die Pflicht nehmen. Auch dem Parlament sollten im Sinne der demokratischen Verwendung der Mittel mehr Rechte gegeben werden. Jetzt wäre der Zeitpunkt günstig. Ich hoffe unsere Regierung sieht das jetzt ein. Das wäre viel besser, als irgendwo Riesensummen zu vergeben, wo man keine Kontrolle darüber hat, wo und wie sie ausgegeben werden."

Sinn kritisierte, dass die bisher geplanten Hilfen in Deutschland mit 1.034 Mrd. Euro oder 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu hoch seien. Zwar gehöre verhindert, dass Firmen jetzt kaputt gingen. "Aber 'what ever it takes' ist nicht gut. Man kann die Leute auch nur enttäuschen, denn so viel Geld gibt es gar nicht, wie man notfalls im schlimmsten Krisenfall auf den Tisch legen müsste", sagte Sinn. Auch die österreichische Regierung hatte verkündet, man werde bereitstellen "was immer nötig ist". Die heimische Dimension ist aus der Sicht von Schneider aber passend.

Beide Wissenschafter warnten, dass die derzeitigen Hilfen auch von Kriminellen bzw. Opportunisten ausgenutzt werden könnten. "Man muss ich besinnen und anfangen maßzuhalten", mahnte Sinn. Im Herbst und nächstes Jahr gehöre von den Regierungen ein Kassasturz gemacht, stieß Schneider ins selbe Horn wie Wifo-Chef Christoph Badelt erst am Tag davor.

Beispiele für Firmen die unverschuldet in die Krise gekommen sind und "unbedingt gerettet gehören", sind den Ökonomen zufolge die Lufthansa und ihre Tochter Austrian Airlines (AUA). Beide plädierten dafür dass der Staat Beteiligungen eingehen sollte. "Es ist die Frage, schenkt der Staat Geld oder nimmt er Beteiligungsrechte in Anspruch. Aus Sicht des Steuerzahlers ist immer letzteres vorzuziehen", sagte Sinn. Bezogen auf die AUA müsse Österreich sich von der Lufthansa für Hilfen eine Garantie für den Fortbestand der AUA, deren Jobs und des Hubs in Wien geben lassen, so Schneider.

Bei der Luftfahrt ist man auch schnell beim Thema Umweltschutz. Und hier gab es zuletzt eine Debatte ob dieser nicht wegen der Krisenhilfen womöglich kleineren Platz erhalten könnte als im ÖVP-Grünen-Regierungsprogramm vorgesehen. "Das Klimaproblem bleibt. Da muss man sicher etwas machen", sagte Sinn. Schneider sprach sich dafür aus, Investitionen in die Schienen-Infrastruktur und den Öffentlichen Verkehr - Stichwort: 1,2,3-Ticket - vorzuziehen. "So kann man viele Jobs schaffen und es dient der Umwelt."

"Das Auto ist aber schon wichtig für Linz", warf Sinn mit Blick auf die voestalpine und deren Autobauteile ein. Sinn zweifelte sogar an, ob denn die Nutzung von Massenbeförderungsmitteln in Coronazeiten nicht Opfer von Verhaltensänderungen werden könnten. Denn er rechnet mit mutierten Coronakrankheitsausbrüchen, die zur Folge haben könnten, dass diese wegen einer Ansteckungsgefahr gegen die Öffinutzung sprechen könnte.

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