Unveröffentlichter Leserbrief von Prof. Dr. Wolfgang Wiegard

Zum Artikel „Prof. Propaganda“, Der Spiegel, 16.07.2012, Heft Nr. 29/2012, S. 62.

Was für ein Zerrbild von Hans-Werner Sinn: ein „Kampagnen-Ökonom“, der auf der „Klaviatur des Agitprop“ spielt, dem es vor allem darauf ankommt, „im Mittelpunkt“ zu stehen, der im Glauben an die eigene „Unfehlbarkeit“, mit „Absolutheitsanspruch“, mit „apokalyptischen Rechnungen“ und „Tiraden“ „mit dem Feuer spielt“ … so geht das, sekundiert von mehr oder weniger renommierten Ökonomen, über ganze drei Seiten. Die Artikel-Überschrift „Prof. Propaganda“ rückt Hans-Werner Sinn dann auch gleich noch in die Nähe von Joseph Goebbels.

Kein Wort davon, dass Sinn einer der forschungsstärksten deutschen Volkswirte ist und zum Beispiel im Lebenswerk-Ranking des Handelsblatt unter 250 Ökonomen Platz 6 (2010) bzw. Platz 7 (2011) einnimmt. Niemand von diesen Spitzen-Forschern wendet theoretische oder empirische Erkenntnisse so konsequent und überzeugend auf jeweils aktuelle wirtschaftspolitische Fragen an; niemand hat in den letzten 20 Jahren die wirtschaftspolitische Debatte stärker beeinflusst als Sinn – „Kaltstart“ (mit Gerlinde Sinn) über die Deutsche Einigung, „Ist Deutschland noch zu retten?“ als intellektuelle Grundlage der Agenda 2010, „Das grüne Paradoxon“ über Klimapolitik, „Kasino-Kapitalismus“ über die Finanzkrise. Daneben hat Sinn auch noch das ifo Institut aus tiefem Dornröschenschlaf erweckt und zu dem führenden wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitut Deutschlands gemacht. Mehr geht eigentlich nicht mehr.

Klar, Sinn polarisiert gelegentlich und mag kleinen Geistern auf die Nerven gehen. Aber dieser SPIEGEL-Beitrag, voller Häme und Unterstellungen, ist nun wirklich unterste Schublade.

Prof. Dr. Wolfgang Wiegard, Regensburg

(Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung von 2001 bis 2011 und dessen Vorsitzender von 2002 bis 2005)

Artikel "Prof. Propaganda", Der Spiegel, 16.07.2012, Heft Nr. 29/2012

Prof. Wiegard hat den Brief dem ifo Institut zur Kenntnis gebracht und seiner Veröffentlichung zugestimmt.