Bad Banks und Bad Ideas

Die deutschen Banken stecken in einer Insolvenzkrise und brauchen neues Eigenkapital.Dafür wäre eine Beteiligung des Staates besser als Bad Banks, sagt Hans-Werner Sinn.
Autor/en
Hans-Werner Sinn
Wirtschaftswoche, 25.05.2009, Nr. 22, S. 43

Die Bundesregierung hat die Errichtung von Bad Banks beschlossen. Den Bad Banks sollen die strukturierten Wertpapiere amerikanischer Provenienz übertragen werden, die die Banken noch in den Büchern haben. Die Marktwerte dieser Papiere, die über die Verbriefung von Kreditforderungen gegenüber amerikanischen Immobilienbesitzern entstanden sind, liegen heute nur noch bei einem Bruchteil der Nennwerte. Papiere der sogenannten Equity-Tranchen haben Marktwerte von fast null, und selbst Papiere der Kategorie AAA werden nur noch zu einem Drittel des Nennwertes gehandelt. Der Grund für den Wertverfall liegt in einem institutionellen Schwindel, an dem die amerikanischen Ratingagenturen, die lasche Regulierung der Investmentbanken, das Rechtsinstitut der regressfreien Kredite und nicht zuletzt die amerikanische Wohnungspolitik ihren Anteil hatten.

In den Bilanzen der deutschen Banken stehen die strukturierten Papiere heute großenteils noch zu wesentlich höheren Werten als den Marktwerten. Das liegt zum einen daran, dass die Europäische Union den Banken im Herbst, nach der Lehman-Brothers-Pleite, die Möglichkeit gegeben hatte, die Papiere rückwirkend zum Juli 2008 vom Handels- in das Anlagebuch zu verschieben und so vor den Wertberichtigungen zu schützen, die nach dem Zusammenbruch des Interbankenhandels nötig wurden. Zum anderen haben die Banken ohnehin einen erheblichen Gestaltungsspielraum, Kreditforderungen im Rahmen der Fair-Value-Methode durch Diskontierung der geschätzten Kreditrückflüsse zu bewerten. Niemand zwingt sie, solche Forderungen schon abzuschreiben, wenn ihr Verlust noch nicht unabweislich, sondern nur mit gewisser Wahrscheinlichkeit auftritt.

Wie groß die stillen Lasten in den Bankbilanzen noch sind, wird deutlich, wenn man die tatsächlichen Abschreibungen und Marktwertberichtigungen, die die Agentur Bloomberg ausweist, mit den Prognosen über solche Abschreibungen und Marktwertberichtigungen vergleicht, wie sie vom Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgenommen wurden. Erstere lagen Ende Februar weltweit bei 1,116 Billionen Dollar. Letztere betrugen in der Prognose des IWF vom April 4,05 Billionen Dollar für die USA, Euroland, UK und Japan. Danach sind bislang gerade einmal ein Viertel der zu erwartenden Wertberichtigungen realisiert. Das ist zwar nur eine Durchschnittsaussage für die ganze Welt, aber da es keinen Anlass für die Vermutung gibt, dass die Amerikaner innerhalb der Ratingkategorien die jeweils besseren Papiere nach Deutschland verkauft und die schlechteren für sich behalten haben, muss man davon ausgehen, dass dieses Zahlenverhältnis auch für die in Deutschland abgelagerten strukturierten US-Papiere gilt. Bis Februar waren durch Wertberichtigungen auf toxische Papiere erst 22 Prozent des Eigenkapitalbestandes der aggregierten deutschen Bankenbilanz verloren gegangen. Wird dieser Prozentsatz vervierfacht, sind die deutschen Banken im Durchschnitt pleite, denn mit dem bisschen Eigenkapital, das dann noch verbleibt, können sie die aufsichtsrechtlichen Anforderungen nicht mehr erfüllen. Dass die amerikanischen und Schweizer Banken noch viel mehr in der Tinte sitzen, ist da nur ein schwacher Trost.

Nach offizieller Information der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) liegt der Bestand an strukturierten Wertpapieren, die auf Bad Banks übertragen werden könnten, bei etwa 200 Milliarden Euro. Inoffiziell liegt der Bestand an toxischen Papieren, wie FAZ und Süddeutsche Zeitung berichten, bei 800 Milliarden Euro, faule Unternehmenskredite noch nicht mitgerechnet. Angesichts eines Eigenkapitalbestandes der konsolidierten Bankenbilanz in Höhe von nur etwa 300 Milliarden Euro liefern diese Informationen leider kein besseres Bild als der Vergleich der IWF- und Bloomberg-Zahlen.

Es wäre eine Verharmlosung, wenn man sagen wollte, die deutschen Banken hätten ein Liquiditätsproblem. Sie haben in Wahrheit ein gravierendes Solvenzproblem: Viel Eigenkapital ist bereits verloren, und noch viel mehr wird verloren gehen, wenn die Wahrheit über die strukturierten Papiere ans Licht kommt. Will man eine nachhaltige Kreditklemme und damit eine Beschädigung der Realwirtschaft vermeiden, müssen Wege gefunden werden, den deutschen Banken neues Eigenkapital zuzuführen.

Die Bad Banks sind, wenn sie den Staat, wie die Politik behauptet, nichts kosten, kein geeignetes Mittel, dieses Ziel zu erreichen. Eigenkapital kann der Staat nur zuführen, wenn die Bad Banks für den Staat teuer werden, und nicht, wenn sie nichts kosten.

In der Tat ist zu befürchten, dass der Steuerzahler bei den Bad Banks draufzahlen wird, denn da die Beteiligung freiwillig ist, werden die Banken nur mitmachen, soweit sie sich davon Vorteile erhoffen. Auf den ersten Blick sind die Bad Banks zwar insofern fair konstruiert, als die Banken die Verluste der Bad Banks im Zeitablauf aus ihren Dividenden abstottern müssen. Auch müssen sie Gebühren für die vom Soffin übernommenen Bürgschaften für die verzinslichen Wertpapiere zahlen, die die Bad Banks im Austausch gegen die toxischen Wertpapiere hergeben. Da sich jede Bank Bürgschaften auch am Markt kaufen könnte, kann es sich indes bei den Bad Banks nur um Kontrakte handeln, bei denen den Banken in versteckter Form Mittel geschenkt werden.

Das Problem ist nur, dass der Staat nichts zu verschenken hat. Transparenter und besser wäre es, wenn der Staat den Banken das benötigte Eigenkapital offen überweisen würde und dafür Aktien bekäme. Die könnte er so lange halten, bis die Krise vorbei ist, und dann vielleicht sogar mit Gewinn verkaufen.

Hans-Werner Sinn ist Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung und Ordinarius an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.