Der Steuerzahler haftet

Autor/en
Hans-Werner Sinn
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.07.2014, Nr. 157, S. 22

Was lange bestritten wurde, wird nun wahr. Die deutschen Steuerzahler sollen doch an den Kosten der Bankenrekapitalisierung in Südeuropa beteiligt werden. Während die Nation den Fußballsieg über Brasilien bejubelt, beschloss das Bundeskabinett, die Mittel des gemeinsamen Rettungsfonds ESM für die Finanzierung der maroden Banken der Krisenländer verfügbar zu machen. Nach einer Beteiligung der Eigentümer und Gläubiger von zusammen nur 8 Prozent der Bilanzsumme einer Bank und einer möglichen Beteiligung des neuen Rettungsfonds in Höhe von 5 Prozent verbleibt eine rechnerische Deckungslücke von 87 Prozent.

Dafür dürfen nun im Falle des Falles die Steuerzahler geradestehen, und zwar nicht nur die Steuerzahler der betroffenen Länder selbst, sondern in gemeinschaftlicher Haftung auch die Steuerzahler anderer Länder. Angesichts einer Bilanzsumme der Banken der Krisenländer von 9131 Milliarden Euro ist dies keine Kleinigkeit, sondern ein großes Risiko für die finanzielle Stabilität der Bundesrepublik Deutschland. Deutschland haftet im Prinzip für 28 Prozent von 87 Prozent dieser Summe, also für 2145 Milliarden Euro. Sicher, bisher blieben die Abschreibungsverluste bei Bankpleiten unter 13 Prozent der Bilanzsumme. Insofern mag man die Wahrscheinlichkeit für klein halten, dass Hilfe zu gewähren ist. Doch erlaubt es die Gewalt der Südeuropa heimsuchenden Bankenkrise nicht, von der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen. Die Risiken könnten alles sprengen, was man bislang hat beobachten können.

Risikoübernahme ist allerdings nicht das Eintreten des Risikos selbst, sondern die Erpressbarkeit der Garantie gebenden Staaten. Um die Risiken klein und die Abschreibungsverluste von vornherein unter 13 Prozent der Bilanzsumme halten zu können, werden die haftenden Länder gezwungen sein, die Rekapitalisierung der Banken Südeuropas durch eine exzessive Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank noch sehr lange hinzunehmen und gegebenenfalls auch die Politik des Quantitative Easing zu akzeptieren, nach der die EZB die toxischen Kreditforderungen der Banken direkt übernimmt. Auch werden sie gezwungen sein, den Weg in eine Transferunion zu gehen, bei der die Wirtschaftssysteme jener Länder, die ihre Wettbewerbsfähigkeit in der vom Euro erzeugten inflationären Kreditblase verloren, insgesamt mit dauerhaften Zuwendungen anderer Länder gestützt werden.

Hans-Werner Sinn ist Präsident des ifo Instituts in München.