ifo Chef geht in die Verlängerung

Hans-Werner Sinn sorgt immer wieder für Furore. Jetzt wird der Chef des ifo Instituts 65 - die Kollegen ziehen den Hut. An Ruhestand denkt er noch lange nicht.
Autor/en
Roland Losch
Presseecho, dpa, 04.03.2013

Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz weiß genau, wie Hans-Werner Sinn tickt - das hat ihm jetzt eine Flasche Rotwein eingebracht. Denn Sinn wird am kommenden Donnerstag (7.3.) 65 Jahre alt, bleibt aber trotzdem noch weitere drei Jahre an der Spitze des ifo Instituts. «Seine Vertragsverlängerung hat mich nicht überrascht, im Gegenteil. Denn ich habe vor einigen Jahren mit ihm gewettet, dass es einmal diese gute Nachricht geben wird, und ich habe die Wette gewonnen», sagt Franz, der 16 Jahre lang das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim geleitet hat und nun selbst in den Ruhestand geht.

 Der leidenschaftliche Münchner Professor will weiter mitmischen. «Das ist die aufregendste Zeit meines Lebens. Noch aufregender als der Beginn meiner Studienzeit in der Studentenrevolte 1968. Da kann man nicht im Sessel sitzen und Däumchen drehen», sagt Sinn.

 Das ifo Institut wollte zu seinem Geburtstag eine Festveranstaltung organisieren, aber er lehnte ab. « Als ich 60 wurde, hat es eine große Feier gegeben. Das wäre jetzt des Guten zu viel.» Stattdessen gönnt sich Sinn eine halbjährige Auszeit - bis September steht «Sabbatical» im Kalender. Aber das «heißt nur, dass ich administrative Aufgaben und Vorlesungen dieses Semester abgebe». In Washington und Chicago will er Vorträge halten und einige Wochen in Boston, Cambridge und im kanadischen Calgary verbringen - mit Wissenschaftlern dort arbeitet er seit langem eng zusammen.

 In Deutschland ist der Mann mit dem Kapitänsbart für viele eine Reizfigur - er bürstet gern gegen den Strich und eckt immer wieder an. Gewerkschafter und Linke attackierten ihn als Neoliberalen oder «Professor Unsinn», Finanzminister Wolfgang Schäuble warf ihm wegen seiner Forderung nach dem Euro-Austritt Griechenlands «Milchmädchenrechnungen» vor.

 Für den Präsidenten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Christoph Schmidt, ist Sinn dagegen «einer der bedeutendsten deutschsprachigen Ökonomen der vergangenen Jahrzehnte». Zudem habe er «die Lust, die theoretischen Erkenntnisse der Ökonomik in praktische Anwendung zu bringen, und den Mut, sich dabei der Kritik und gar der Feindseligkeit vieler Beobachter auszusetzen, die ihre Partikularinteressen durch sein klares Wort gefährdet sehen».

 Sinn, am 7. März 1948 in Brake bei Bielefeld geboren, ist mit Freude ein westfälischer Dickschädel. Sein Bart, den er seit Studententagen in Münster und Mannheim trägt, ist zu seinem Markenzeichen geworden. 1984, mit 36 Jahren, wurde er Professor in München. 1999 wurde er als Retter an die Spitze des heruntergewirtschafteten ifo Instituts gerufen und führte es in die Liga der Top-Institute.

 Bundesweit bekannt wurde der Professor schon 1991 mit dem Buch «Kaltstart», in dem er mit der Wirtschaftspolitik bei der deutschen Wiedervereinigung ins Gericht ging. Seither schaffen es seine Wirtschaftsbücher («Kasino-Kapitalismus») regelmäßig in die Bestseller-Listen - auch sein jüngstes: «Die Target-Falle. Gefahren für unser Geld und unsere Kinder». Darin wirft er der Europäischen Zentralbank vor, sie habe den Krisenländern «die goldene Kreditkarte» gegeben.

 Schlagzeilen hatte Sinn vergangenes Jahr auch als Unterzeichner eines offenen Brief gemacht, mit dem Volkswirte vor einer Haftung deutscher Steuerzahler für südeuropäische Banken warnten. Dennis Snower, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (ifw), hatte damals mit anderen Volkswirten öffentlich dagegengehalten. Aber dem Jubilar erweist auch Snower seine Referenz: Sinns Vertragsverlängerung sei «eine hervorragende Nachricht für Deutschland».