"Wir brauchen dringend niedrigere Löhne"

Interview mit Hans-Werner Sinn, Der Mittelstand, 06/2005

Gespräch mit ifo-Präsident
Prof. Dr. Hans-Werner Sinn:

Der MITTELSTAND: Der ifo-Geschäftsklimaindex ist im November deutlich gesunken. Stellt der Koalitionsvertrag die Weichen für mehr Wachstum und Beschäftigung?

Sinn: Der Koalitionsvertrag kaum, die Regierungserklärung von Frau Merkel schon. Die enthält doch einige wichtige Ankündigungen, wie insbesondere die Einführung des Kombilohnes bzw. der Aktivierenden Sozialhilfe, sowie eine Initiative zur Wiedereingliederung der Älteren, also die Abkehr von Blüm, die überfällig war.

Die für den Mittelstand essentielle Unternehmenssteuerreform hat die neue Bundesregierung auf die lange Bank geschoben. Können kleine und mittlere Unternehmen dennoch auf kurzfristige Entlastung bei Steuern und Abgaben hoffen?

Nein, das können sie nicht. Bis 2008 soll aber nun eine weitere Steuerreform kommen.

Der Export boomt, doch die Binnennachfrage lahmt seit langem. Was muss getan werden, um den Konsum wieder anzukurbeln?

Binnennachfrage und Konsum sind nicht dasselbe. Die Binnennachfrage lahmt vor allem, weil die Unternehmen immer weniger Investitionsgüter kaufen. Deutschland hat die niedrigste Nettoinvestitionsquote aller entwickelten Länder. Wir brauchen dringend niedrigere Löhne, damit die Investitionsgüternachfrage wieder anspringt. Im zweiten Schritt wird dies dann auch Jobs schaffen und so die Konsumgüternachfrage stimulieren.