Die Lösung heißt: Sparen!

Interview mit Hans-Werner Sinn, tz, 14.05.2003, 2

ifo-Präsident Sinn gegen neue Schulden und höhere Steuern

Neue Milliarden-Löcher, der Euro-Stabilitätspakt wackelt: Der Präsident des Münchner ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Prof. Hans-Wemer Sinn, zeigt Auswege aus der Krise.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat sich für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgesprochen. Ist das die richtige Antwort auf die Finanzkrise der öffentlichen Kassen?

Prof. Hans-Werner Sinn: Nein, es ist genau der falsche Weg! Wenn man weniger Geld hat, muss man sparen und nicht anderen Leuten das Geld wegnehmen. Der Staat kann sich aus der Finanzmisere nicht hinausstehlen, indem er den Bürgern noch mehr Geld aus der Tasche zieht, sondern er muss selber sparen und seine Ausgaben zurücknehmen. Hier ist der große Sozialetat, hier ist der Subventionsetat gefragt. Man muss endlich daran gehen, hier zu kürzen, denn da ist viel über das sinnvolle Maß hinausgeschossen.

Welche Subventionen würden Sie denn da kürzen wollen? Den steuerfreien Zuschlag auf Sonntags- und Nachtarbeit?

Eine Nichtbesteuerung ist keine Subvention! Das ist ja die Begriffsverwirrung, die die Bundesregierung im Herbst mit ihrem Steuervergünstigungsabbaugesetz eingeführt hat. Da haben sie die Steuererhöhung als Streichung von Subventionen deklariert. Wenn der Staat mehr ausgibt, als er einnimmt, muss er seine Ausgaben kürzen. Eine Erhöhung der Einnahmen ist nicht in Ordnung, weil die Einnahmen im internationalen Vergleich ohnehin schon sehr hoch sind. Es gibt kein Land der Erde, wo dem Arbeitnehmer von den Erträgen einer zusätzlichen Arbeitsleistung so viel weggenommen wird wie in Deutschland. Die Belastung eines Nachtzuschlages mit Steuern würde die Problematik noch verschärfen.

Dann sagen Sie doch bitte konkret, welche Subvention gestrichen werden sollte...

In den neuen Bundesländern haben wir uns ein massiv subventionsgestütztes Wirtschaftssystem aufgebaut mit gigantischen Fehllenkungen von Kapital. Das ist zwar zum großen Teil schon wieder rückgängig gemacht worden, weil das Fördergebiets-Gesetz 1996 auslief. Aber die Subventionen sind dort immer noch üppig. Wir brauchen auch nicht die massiven Subventionen im Kohlebergbau und in der Landwirtschaft. Schließlich weiß ich nicht, ob wir das Nichtarbeiten in dem Maße subventionieren sollten, wie wir es tun.

Aber diese Subventionen sichern doch Arbeitsplätze, oder?

Nein, die Subvention der Nichtarbeit kostet Arbeitsplätze, und die Subvention unrentabler Wirtschaftszweige erhält Arbeitsplätze, die nicht erhaltenswert sind. Wir brauchen nicht irgendwelche Arbeitsplätze, wir brauchen zukunftsfähige Arbeitsplätze, die im Zeitalter der Globalisierung eine Chance haben. Wenn man überhaupt subventioniert, dann im Bereich neuer Technologien, aber dann auch nur, indem man Standortbedingungen schafft, Infrastruktur schafft - und nicht, indem man Geld an Unternehmen auszahlt. Unternehmen müssen ihr Geld vom Konsumenten, und nicht vom Staat bekommen.

Derzeit tagen die Steuerschätzer, mit weiteren Milliarden-Löchern ist zu rechnen. Was ist besser: Mehr Schulden oder höhere Steuern?

Beides ist keine akzeptable Alternative! Es gibt einen dritten Weg: Der Staat muss weniger ausgeben. Ich halte es für nicht akzeptabel, dass die Bundesregierung jetzt so nonchalant über den Eurostabilitäts-Pakt hinwegsieht und auch für dieses Jahr die Verletzung der 3%-Grenze ankündigt. Wir müssen dann Strafe zahlen - und zwar gut fünf Milliarden Euro für letztes Jahr und nochmal dasselbe für dieses Jahr! Der Stabilitätspakt sieht da keinen Ausweg vor.

Aber in der EU wird ja schon offen gesagt, die Strafe sei nicht so ernst zu nehmen, dass wirklich gezahlt werden muss, steht in den Sternen...

Das steht nicht in den Sternen, das steht im Vertrag. Der einzige Ausweg für die Bundesrepublik und die EU ist die offene Vertragsverletzung. Das wird vielleicht kommen, denn diejenigen, die hier die Regeln verletzt haben, sitzen ja auch über sich selbst mit zu Gericht.

INTERVIEW: KLAUS RIMPEL