Deutschland zukunftsfähig machen

Interview mit Hans-Werner Sinn, FONDStastisch, 01.2004, S. 11

FONDStastisch: Herr Professor Sinn, worin besteht für Sie die Faszination, Wirtschaftsforschung zu betreiben?

Prof. Sinn: Die Faszination ergibt sich für mich aus der Nähe zur Politik und der Möglichkeit, sich zu wichtigen Themen zu äußern, die gerade auch aus wissenschaftlicher Sicht sehr interessant sind. Das reicht von betriebswirtschaftlichen Themen bis hin zur Umweltpolitik. Dazu gehört vor allem auch die Reformdebatte, die gegenwärtig in Deutschland geführt wird.

FONDStastisch: Welches sind heute die wichtigsten Aufgaben der Wirtschaftsforschung? Welchen konkreten Nutzen können Wirtschaft, Politik und Gesellschaft aus ihrer Arbeit ziehen?

Prof. Sinn: Am wichtigsten ist meiner Meinung nach, die gegenwärtige Reformdebatte zukunftsweisend zu begleiten und die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu sichern. Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands muss unbedingt wiederhergestellt werden. Die von den Instituten und von den statistischen Ämtern erhobenen Daten sind sehr genau und lassen wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen und Trends erkennen. Dadurch hilft die Arbeit der Wirtschaftsforschungsinstitute Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft, Irrwege zu vermeiden, und unterstützt sie dabei, Deutschland wieder auf den Wachstumspfad zurückzuführen.

FONDStastisch: Wie kommt das Herbstgutachten als Gemeinschaftsarbeit der größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute zustande? Wie gestaltet sich die Konsensfindung?

Prof. Sinn: Die führenden Mitarbeiter der Institute treffen sich 14 Tage vor der Veröffentlichung und diskutieren über die wirtschaftliche Entwicklung und die konjunkturellen Daten. Dabei besteht keinesfalls immer Einigkeit, sondern es werden heiße Debatten geführt, bis man zu einem Konsens gelangt. Schließlich soll eine gemeinsame Lösung gefunden und am Ende eine gemeinsame Empfehlung abgegeben werden.

FONDStastisch: Wenn das Herbstgutachten publiziert wird, reagiert der DAX postwendend. Können Sie uns den Zusammenhang erklären?

Prof. Sinn: Das Herbstgutachten umfasst Prognosen über die zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands und die Lage der Konjunktur. Vereinfacht gesagt sind die Kursentwicklungen an den Börsen Ausdruck der Gewinnausschüttungen (Dividenden), welche die Anleger von den Unternehmen erwarten. Der Gewinn pro Aktie fällt in der Regel umso höher aus, je besser es der Wirtschaft geht. Aus diesem Grund reagiert der deutsche Aktienmarkt sehr sensibel, wenn Gutachten veröffentlicht werden, die über die zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung Auskunft geben. Je nachdem, wie die Prognosen ausfallen, kommt es im DAX zu Schwankungen, da sich die Erwartungen der Anleger ändern. Diese Schwankungen kann man auch jeden Monat beobachten, wenn der ifo-Konjunkturtest veröffentlicht wird.

FONDStastisch: Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Welche Tätigkeit macht Ihnen persönlich am meisten Spaß?

Prof. Sinn: Am meisten Spaß macht mir der Unterricht der Studenten, denn hier kann man grundsätzlich über die Dinge nachdenken und den Problemen nachgehen. Außerdem arbeite ich in meiner Freizeit auch sehr gerne im Garten. Durch meine zahlreichen Tätigkeiten komme ich allerdings eher selten dazu.