RB Marketing sprach mit dem Präsidenten des ifo-Institut München Prof. Dr. Hans-Werner Sinn

Interview mit Hans-Werner Sinn, RB Marketing, 07.08.2004, S. 10

RB legte die Frage vor: Welche von den beiden wirtschaftlichen Möglichkeiten er stärker befürworte: Mehrarbeit mit analoger Entlohnung oder Mehrarbeit in Deutschland ohne zusätzliche Belohnung, also bei unverändertem Gehalt?

Prof. Sinn: Die Lohnkosten müssen sinken, Arbeit muss billiger werden. Die einfachste Methode ist, länger zu arbeiten. - Das ist nicht der einzige, aber der beste Weg. Es gibt keine bessere Möglichkeit, obwohl es auch andere Wege gäbe, die Löhne zu senken. Aber das ist ein schwieriger Prozess. Das Problem ist, dass die deutschen Unternehmen ihre Standorte versetzen. Die Lohnkosten müssen sinken.

RB: Sie plädieren also für Mehrarbeit bei unverändertem Gehalt?

Prof. Sinn: Alles andere wäre ein falscher Weg. Das Problem ist: Der Arbeitsmarkt funktioniert nicht, weil die Gewerkschaften zu viel Macht haben und weil der Sozialstaat beträchtliche Ersatzeinkommen anbietet, die die Löhne hochhalten.

RB: Was meinen Sie?

Prof. Sinn:. Niemand arbeitet für weniger Geld, als der Staat ihm bereits ohne Arbeit zahlt. Lohnersatz wie Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe bauen häufig Lohnansprüche auf, die über der Wertschöpfung liegen, die die Betroffenen mit ihrer Arbeit erzeugen können. In diesen Fällen ist Arbeitslosigkeit die zwangsläufige Folge.

RB: Wie verändert sich die Arbeitslosigkeit?

Prof. Sinn: Seit 30 Jahren steigt sie dramatisch an, in einem linearen Trend. Der Trend geht so weiter, obwohl die Regierung seit Januar 2003 230.000 Arbeitslose aus der Statistik eliminiert hat. Die Wiedervereinigung hat in den Neuen Bundesländern noch Einiges dazu getan.

RB: Die Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich halten Sie für eine der am schnellsten wirksamen Maßnahmen ?

Prof. Sinn: Ja so ist es

RB: In welchem Zeitrahmen ist eine Veränderung zu erwarten?

Prof. Sinn: Der Wachstumsschub kommt sofort, weil sofort mehr produziert und verbraucht wird. Die Nachfrage und das Angebot steigen sofort ohne Zeitverzögerung. Danach kommt ein Investitionsschub, weil die Unternehmen erstens mehr Geld haben und sich das investieren zweitens wegen der niedrigeren Stundenlohnkosten wieder eher lohnt. Die Auswirkungen auf die Beschäftigung - also eine Beschäftigungs-Verbesserung, ist in drei bis zehn Jahren zu erwarten. Diese Zusammenhänge habe ich bereits in der 6. Auflage meines Buches, das in Kürze erscheinen wird, formuliert.

Anmerkungen: Ein Artikel in der FAZ von Prof. Sinn hat dies bereits vor einem Jahr unterstrichen. Der Beitrag steht in der Rubrik "Presseschau" der ifo-homepage ebenso unter ifo-standpunkte.
Aufmerksame Zeitungsleser wissen, dass in der "Berliner Zeitung" gleich nach der Wahl eine Stellungnahme von Prof. Sinn abgegeben worden ist. Er hat damals eine große Koalition gefordert, damit sich die beiden großen Parteien beim Regieren nicht gegenseitig in den Rücken fallen können.

Das Werk "Ist Deutschland noch zu retten?" ist beim Econ-Verlag/Berlin erschienen.