"Arbeit gibt es in den Köpfen genug"

Nordwest Zeitung, 07.10.2004

Sinn zur Liberalisierung des Marktes

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten eigenständig über den Kündigungsschutz im Betrieb verhandeln. Das sagt Professor Hans-Werner Sinn, Leiter des ifo-Instituts, München.

Die CDU will den Kündigungsschutz stark einschränken. Führt das zu mehr Einstellungen oder werden dann nur noch mehr Menschen lassen?

Sinn: Ein vernünftiges Maß an Vertragsfreiheit beim Kündigungsschutz ist das A und 0 für eine Marktwirtschaft. Ich würde neu eingestellten Arbeitnehmern das Recht geben, den Vertrag abzuschließen, den sie haben wollen. Altverträge würde ich nicht verändern. Dann bliebe es den Arbeitgebern und Arbeitnehmern selbst überlassen, ob sie mit ihrem Betrieb Abfindungen oder Kündigungsschutz vereinbaren. Es käme Bewegung in den starren Arbeitsmarkt. Dänemark und England haben sehr gute Erfolge mit der Vertragsfreiheit beim Kündigungsschutz gemacht.

Wird sich Hartz IV positiv auswirken?

Sinn: Ja. Die Leute werden bereit sein, Jobs zu niedrigeren Löhnen anzunehmen und es wird dann auch mehr Jobs geben. Denn Arbeit gibt es in den Köpfen der Arbeitgeber genug, nur ist sie bisher nicht rentabel.

Wenn sie Hartz IV überarbeiten müssten, gewissermaßen ein Hartz V auflegen - was würde sich ändern?

Sinn: Ich würde die Kürzung von ALG II nicht an die Ablehnung zumutbarer Arbeit knüpfen. Dabei ist der Staat nämlich immer in Beweisnöten. Mein Gegenkonzept: Ich würde den Sozialhilfesatz generell um ein Drittel absenken. Zum Ausgleich würde ich die Hinzuverdienstmöglichkeiten sehr viel großzügiger ausgestalten. Bis 400 Euro würde ich den Sozialhilfesatz nicht antasten. Bis 200 Euro würde ich einen Lohnzuschuss von 20 Prozent auf das selbst verdiente Einkommen zahlen, so dass der Einstieg in den Arbeitsmarkt in Gang kommt Bei Hartz IV sind die Zuverdienstmöglichkeiten unter anderem im Geringverdienerbereich mit 15 Prozent viel zu eingeschränkt.

Was machen Sie mit denen, die keine Arbeit finden? Wie können die dann noch leben?

Sinn: Denen würde ich kommunale Jobs anbieten, die in Höhe der heutigen Sozialhilfe entlohnt sind. Dann sind die Einkommen gesichert..

Von Christoph Stangen

 

Auch erschienen in Ostfriesische Nachrichten, 07.10.2004, S. 34