Licht am Ende des Tunnels?

Interview mit Hans-Werner Sinn, IT-Business, 16.03.2009, Nr. 6/2009, S. 42

Ifo-Chef Hans-Werner Sinn ist für seine klaren Worte und treffenden Analysen bekannt. In seinem Vortrag zum Auftakt des IT-Summit in Hamburg zeigte er den Managern, was in der aktuellen Finanzkrise noch auf sie zukommt.

ITB: Sie gelten als der einflussreichste deutsche Wirtschaftswissenschaftler. Liegt es an Ihren pointierten und markanten Aussagen oder an der Trefferquote Ihrer Prognosen?

SINN: Das weiß ich nicht, das müssen andere beurteilen. Man muss die Dinge auf den Punkt bringen, um eine diffizile Realität verständlich zu machen. Ein gesellschaftlicher Diskurs kann nur stattfinden, wenn es eine möglichst klare These gibt.

ITB: Ihre aktuelle Einschätzung klingt nicht sehr ermutigend?

SINN: Wir stehen am Anfang eines Abschwungs. Und das haben wir schon sehr früh erkannt. Übrigens genauso früh wie den letzten Aufschwung 2005. Das, denke ich, sind die Gründe, warum das ifo Institut so gefragt ist. Andere reden jetzt schon vom Aufschwung im Sommer, dabei beginnt gerade erst der Abschwung. Ich sehe noch kein Licht am Ende des Tunnels. Die Lage ist viel schlechter als nach den Terroranschlägen von 2001 in New York. 2009 wird die Weltwirtschaft nur noch um 0,5 Prozent wachsen. Das ist der schlechteste Wert in der Nachkriegszeit.

ITB: Was kommt da noch auf uns zu?

SINN: Die Sparquote der Amerikaner ist gleich Null. Seit den 70er Jahren saugen sie das Kapital der Welt auf wie ein Staubsauger. Deutschland ist der zweitgrößte Finanzier der USA und dürfte wohl das am stärksten von der Krise betroffene Land sein. Wenn ich noch Aktien hätte, würde ich sie jetzt verkaufen.

ITB: Wirklich?

SINN: Die Lage ist schlecht, und die Unternehmen erwarten, dass sie noch schlechter wird. Das zeigen unsere Konjunkturumfragen ganz eindeutig. Da kann sich auch die IT-Branche nicht abkoppeln.

ITB: Aber viele Unternehmen sind noch ganz gut ausgelastet für eine Krise und relativ hoffnungsfroh gestimmt...

SINN: Die Binnensektoren laufen noch, die Einbrüche kommen aus dem Ausland. Deutschland hinkt den USA zeitlich hinterher. Die wirtschaftliche Entwicklung erreicht uns mit Verzögerung. Im Frühjahr 2009 werden wir im Konjunkturzyklus dort stehen, wo die Amerikaner im vergangenen Herbst standen.

ITB: Warum ist Deutschland so arg betroffen?

SINN: Deutschland ist wie ein Korken auf hoher See. Wir schwimmen oben in der Hochkonjunktur, es zieht uns aber im Wellental auch ganz tief runter, ohne dass wir groß gegensteuern könnten. Wir haben mit minus 2,2 Prozent das schlechteste Wirtschaftswachstum für Deutschland in 60 Jahren prognostiziert. Die Bundesregierung hat die Zahl inzwischen übernommen. Die neuesten Zahlen zeigen, dass auch das noch zu optimistisch ist. Deutschland ist beim Wachstum leider wieder Schlusslicht in Europa.

ITB: Hat der Produktionsstandort Deutschland Zukunft?

SINN: Ja, schon, aber es wird schwierig. Die PC-Fertigung ist ja stark automatisiert. Das lässt sich hierzulande sicherlich noch produktiv gestalten. Nur: Wir müssen so viel besser sein, wie wir teurer sind. Wir sind 33-mal teurer als die Chinesen. Sind wir auch 33-mal besser?

Das Interview führte Robert A. Schmid

Der promovierte Volkswirtschaftler leitet seit zehn Jahren das ifo Institut für Wirtschaftsforschung in München. Der Ifo-lndex gilt als wichtiger Frühindikator für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft. Sinn promovierte und habilitierte sich in Mannheim. Er lehrte in Kanada an der University of Western Ontario und hatte u.a. Gastprofessuren in Stanford, Princeton und Jerusalem inne. Seit 25 Jahren ist er Ordinarius an der Ludwig-Maximilians Universität in München. Er ist Träger des bayerischen Maximilians-Ordens und Präsident des Weltverbandes der Finanzwissenschaftler (IIPF). Sinn, 60 und Vater von zwei Söhnen und einer Tochter, hat zahlreiche Bücher und Aufsätze verfasst. Zuletzt kritisierte er die Klimapolitik der Bundesregierung und die Abwrackprämie.