Athen braucht 50 Milliarden Euro pro Jahr!

Presseinterview mit Hans-Werner Sinn, Bild, 13.07.2015, S. 1.

Wieder mehr Zeit: Athen darf die Reformpläne noch mal nachbessern!

Von Jan W. Schäfer

BILD fragte ifo-Chef Prof. Hans- Werner Sinn (67): Sind die Vorschläge überhaupt eine Basis für neue Verhandlungen?

Hans-Werner Sinn: “Nein, die Vorschläge basieren im Wesentlichen auf Steuererhöhungen statt Ausgabenkürzungen. Steuererhöhungen sind bloße Versprechungen, von denen man leider weiß, dass sie in Griechenland nicht umgesetzt werden. Was nützen Steuern, die gar nicht gezahlt werden?”

BILD: Wie viel Geld benötigt Athen bis 2018 wirklich?

Sinn: “ln den letzten fünf Jahren hat Griechenland pro Jahr mehr als 50 Milliarden Euro, ein Viertel der Wirtschaftsleistung bekommen bzw. sich durch Selbstdruck von Euros mit Billigung der EZB genommen. Dass man sich nun mit einem Drittel der Summe begnügen wird, wie behauptet, halte ich für äußerst unwahrscheinlich. Das Land hängt am Tropf und kommt davon nicht los, wenn der Euro gesetzliches Zahlungsmittel bleibt.”

BILD: Ist ein Grexit auf Zeit die Lösung?

Sinn: “Ja, Minister Schäuble hat genau das Richtige empfohlen. Griechenland hat sich per Kredit einen Lebensstandard genehmigt, der weit über seiner Wirtschaftsleistung liegt. Deshalb ist es nicht wettbewerbsfähig. Von dem hohen Niveau kommt es durch Kürzung einzelner Euro-Einkommen bei Staatsbediensteten und Rentnern nicht los. Das bringt nur alles durcheinander und ruft Proteste hervor. Nur eine Währungsabwertung kann die Kürzungen gleichmäßig und sozialverträglich bewerkstelligen und erreichen dass Griechenland ohne, dass Griechenland ohne das Geld anderer Länder auskommt.”