Staatsschulden werden zu Eurobonds

Interview mit Hans-Werner Sinn, Münchner Merkur, 23.01.2015, S. 5

Ifo-Chef Hans-Werner Sinn gehört zu den profiliertesten Kritikern der gegenwärtigen EZB-Politik. Wir sprachen mit ihm nach der gestrigen Entscheidung.
Interview von Martin Prem

Herr Professor Sinn, waren Sie von der EZB-Entscheidung überrascht?
Nein, es kam alles so wie vorher angekündigt.

Das Volumen ist aber deutlich höher ausgefallen.
Es sind 60 statt 50 Milliarden Euro im Monat. Das überrascht jetzt nicht sonderlich.

Sie haben vorher Kritik geübt. Bleiben Sie dabei?
Dabei bleibe ich, weil ich die Begründung nicht nachvollziehen kann. Die EZB will gegen eine Deflation kämpfen, die aber nur durch fallende Rohstoffpreise verursacht ist. Und was ist so schlimm daran,wenn die Öl preise niedrig sind in Europa und die Verbraucher mehr Kaufkraft haben? Ich· verstehe nicht, wie man argumentieren kann, dass man Maßnahmen zur Erhöhung dieser Importpreise ergreift. Das setzt eine Menge Geld frei. Viel von dem Geld, das die Banken durch den Verkauf der Staatspapiere bekommen, werden sie ins Ausland tragen. Das wird den Euro abwerten und die Ölpreise in Deutschland erhöhen. Außerdem werden auch die anderen Importpreise teurer, z.B. auch der Urlaub im Ausland. Ich halte die Argumentation der EZB für vorgeschoben und nicht überzeugend.

Was sehen Sie als eigentliches Motiv, hinter den Entscheidungen?
Dahinter steckt der Versuch, die Banken Südeuropas zu retten. . indem man ihnen die toxischen Staatspapiere abkauft. Das schafft neues Eigenkapital und entlastet sie von neuen Risiken.

Es sind da gewisse Schranken eingebaut. Eine Beschränkung auf 20 Prozent gemeinsame Haftung.
Durch 20 Prozent der Käufe werden jetzt Eurobonds geschaffen, von denen Frau Merkel sagte, es werde sie nicht geben, solange sie lebe. Aber auch die anderen Staatspapiere werden zu Risiken für andere Länder führen, weil die Haftungsmasse mancher Zentralbanken nicht ausreicht.

Nach den EZB-Aussagen müssten zu einem Viertel deutsche Staatsanleihen aufgekauft werden. Hat das irgendeinen geldpolitischen Sinn?
Natürlich hat das auch Geld politischen Sinn. Es wird mehr Liquidität in den Markt gepumpt. Die Banken werden das nutzen, um mehr Aktien zu kaufen. Sie werden mehr Immobilien finanzieren, und sie werden ins Ausland gehen. Das wird einen positiven konjunkturellen Impuls bringen. Ob es die Unternehmen wieder zum Investieren veranlasst, das ist eine andere Frage.

Ist nicht die Verlockung groß, mit dem neuen Geld auf den Finanzmärkten zu jonglieren?
Man wird vor allem Effekte über die Finanzmärkte erreichen. Wirken wird es über eine Abwertung. Das hat der Präsident nicht ausgesprochen. Aber das ist der offenkundige Effekt, wie wir letzte Woche durch den Run auf den Schweizer Franken gesehen haben.

Ist eine Euro-Abwertung nicht das eigentliche Ziel der EZB?
Es ist das Ziel, darf es aber nicht offiziell sein, weil sie nicht das Mandat hat, Wechselkurspolitik zu machen.

Der Euro wird wohl weiter abwerten. Wo sehen Sie ihn denn?
Es gibt zwei Dinge, bei denen man nicht wissen möchte wie sie gemacht werden: Würste und Wechselkurse.

Also keine Prognose. Zunächst wird es eine Konjunkturbelebung geben. Aber was ist längerfristig?
Die Konjunkturbelebung läuft über die Abwertung. Die Abwertung wird einen Inflationsschub für Deutschland, Österreich und andere nördliche Länder auslösen. Hoffen wir mal, dass die südlichen Länder nicht mitinflationieren, sondern zurückbleiben. Das wird ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Werden die Unterschiede zwischen Süd und Nord so ausgeglichen? Sie werden verringert. Es gibt zwei Möglichkeiten, das Wettbewerbsproblem in der Eurozone zu lösen. Wir inflationieren den Norden, oder wir deflationieren den Süden. Die EZB hat sich heute dafür entschieden, den Norden zu inflationieren.