ifo Standpunkt Nr. 74: Subjekt versus Objekt

On the design of wage subsidies
Autor/en
Hans-Werner Sinn
München, 10. April 2006

Deutschland wird einen Kombilohn bekommen. Die Politik hat eingesehen, dass man die deutsche Weltmeisterschaft bei der Massenarbeitslosigkeit der gering Qualifizierten nur beenden kann, wenn man staatliche Hilfen fürs Mitmachen statt fürs Wegbleiben gewährt. Die Frage ist nur, ob der Kombilohn als Objekt- oder als Subjektförderung eingeführt werden soll, ob man die Unternehmen oder ihre Arbeitnehmer bezuschusst. Die öffentliche Diskussion des Kombilohns zeugt von Verwirrung, weil zwischen diesen Alternativen nicht klar unterschieden wird.

Deutlich wird die Verwirrung bei dem Argument, die Einführung von Kombilöhnen veranlasse Unternehmen und Arbeitnehmer zu einem Komplott. Sie würden niedrigere Löhne vereinbaren, um auf diese Weise in den Genuss der staatlichen Unterstützung zu gelangen. Zum Schutz dagegen sei ein gesetzlicher Mindestlohn erforderlich.

Das Argument ist zwar bei der Subjektförderung ansatzweise nachvollziehbar. Je niedriger der Lohn, desto größer ist der Zuschuss, den der Staat dem Arbeitnehmer gewähren muss, wenn er ihm ein bestimmtes Einkommen garantieren will. Nicht nachvollziehbar ist es jedoch im Falle der Objektförderung, denn dann ist es ja umgekehrt: Je höher der Lohn, desto größer ist der Zuschuss, den der Staat einer Firma gewähren müsste, wenn ein bestimmtes Niveau der Arbeitskosten nicht überschritten werden soll. Man müsste nach dieser Logik eigentlich einen gesetzlichen Höchstlohn fordern, um die Ausbeutung des Staates zu verhindern. Die Vorstellung eines Komplotts zwischen dem Unternehmer und seinen Arbeitern ist jedoch falsch. Erstens wird der Staat weder Lohnsenkungen noch -erhöhungen voll kompensieren, sondern Fördertarife festlegen, die stets nur eine partielle Kompensation implizieren. Zweitens hat Deutschland einen Arbeitsmarkt, auf dem zwischen den Unternehmen Konkurrenz herrscht.

Im Falle der Subjektförderung wird es zwar im Ausmaß der Förderung zu einer Senkung der Lohnansprüche kommen, und genau deshalb wird es mehr Jobs geben. Aber der Lohn kann auch bei einer sehr großzügigen Förderung nicht ins Bodenlose fallen. Bei schätzungsweise einem Drittel unter dem Niveau heutiger Niedriglöhne dürfte das Marktgleichgewicht erreicht werden. Noch niedrigere Löhne sind dann nicht möglich, weil sich die Unternehmer bei der Konkurrenz um knappe Arbeitnehmer gegenseitig überbieten würden. Gesetzliche Mindestlöhne auf dem Niveau der heutigen Niedriglöhne sind nicht nur unnötig, sondern auch schädlich. Sie würden verhindern, dass neue Stellen entstehen.

Im Falle der Objektförderung sinken die Lohnkosten im Ausmaß der Förderung, ohne dass es zunächst zu einem nennenswerten Anstieg bei den Brutto- oder Nettolöhnen kommt. Ist die Förderung sehr großzügig, wird auch hier das Marktgleichgewicht erreicht, und erst dann kann die Konkurrenz der Arbeitgeber um knappe Arbeitnehmer zu Lohnerhöhungen führen.

Ob Subjekt- oder Objektförderung: Das materielle Marktergebnis ist unabhängig davon, an wen das Geld fließt. Bei beiden Förderarten wird es die gleichen Lohnkosten, die gleichen Nettolöhne und die gleichen Beschäftigungseffekte geben, wenn der Staat das gleiche Fördervolumen realisiert und die gleichen Tatbestände fördert.

Allerdings werden nicht die gleichen Tatbestände gefördert. Im Gegensatz zur Subjektförderung kann die Objektförderung auf die individuellen Besonderheiten der geförderten Arbeitnehmer nicht eingehen. Insbesondere ist es kaum möglich, anderweitige Einkünfte wie Zinsen, Mieten und Renten zu berücksichtigen, und wenn, dann nur unter prohibitivem Verwaltungsaufwand und Verzicht auf den Schutz der Privatsphäre. Als Folge würden sehr viele Streuverluste bei der Förderung auftreten. Eine unkontrollierbare Subventionsmaschinerie würde in Gang gesetzt, deren Kosten man kaum im Griff halten könnte. Die negativen Erfahrungen beim sozialen Wohnungsbau zeigen, was man erwarten muss.

Vertreter der Objektförderung führen dagegen ins Feld, dass die Subjektförderung einen Drehtüreffekt erzeugt, weil die Unternehmen angeregt würden, bereits beschäftigte teure Arbeitnehmer durch billigere neue Arbeitnehmer zu ersetzen. Dadurch entstünden die höheren fiskalischen Lasten. Der Drehtüreffekt könne bei der Objektförderung vermieden werden, indem man sie auf die Zunahme der Beschäftigung gegenüber einem historischen Stichjahr beschränkt. Diese Argumentation ist falsch.

Zum einen ist die Subjektförderung trotz des vollen Drehtüreffektes finanzierbar, wenn man das Arbeitslosengeld II im Sinne der Aktivierenden Sozialhilfe des ifo Instituts umgestaltet. Die Hinzuverdienstgrenze müsste von 100 auf 500 Euro erhöht und das ALG II bei Nichtstun um ein Drittel gekürzt werden. Und für den Norfall müsste es kommunale Leiharbeitsstellen geben, die in Höhe des heutigen ALG II bezahlt werden. Das schafft über drei Millionen Jobs, verringert die Lasten des Staates um fünf Milliarden Euro und erhöht den Lebensstandard der Armen deutlich über das ALG II hinaus.

Zum anderen würde der Drehtüreffekt bei der Objektförderung ebenso stattfinden und zudem dramatische Auswirkungen auf die Unternehmensstruktur haben. Neue Unternehmen, die nach dem Stichjahr gegründet werden, kämen nämlich in den Genuss der vollen Förderung, während alte Unternehmen, die ihren Reifezustand erreicht haben, leer ausgingen. Alte Firmen würden deshalb in den Konkurs getrieben oder umgewidmet und neuen Unternehmen Platz machen. Angesichts der absehbaren Massenproteste der etablierten Firmen kann man die politische Partei nur bedauern, die sich auf solche Konstruktionen einlässt.

Hans-Werner Sinn
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Erschienen unter dem Titel "Subjekt versus Objekt“, Wirtschaftswoche, Nr. 15, 10. April 2006, S. 186.