ifo Standpunkt Nr. 93: Landesbanken und Sparkassen: Ein Plädoyer für eine vertikale Fusion

Autor/en
Hans-Werner Sinn
München, 08. Mai 2008

Die Bankenkrise hat viele deutsche Banken in Mitleidenschaft gezogen, doch die Landesbanken könnten in besonderem Maße betroffen sein. Bei der Sachsen LB mussten Abschreibungen in Höhe von 1,8 Mrd. Euro realisiert werden, und dem sächsischen Staat gelang es nur mit einer Bürgschaft in Höhe von 2,75 Mrd. Euro, den Konkurs zu vermeiden. Die Bank gehört jetzt der Landesbank Baden- Württemberg (LBBW). Bei der WestLB rechnet man mit Abschreibungen von 2,0 Mrd. Euro, und bei der BayernLB wurde zuletzt ein Abschreibungsbedarf von 4,3 Mrd. Euro verzeichnet. Insgesamt rechnet man bei den Landesbanken mit Abschreibungen in Höhe von mindestens 12 Mrd. Euro, was 19 % ihrer aggregierten Eigenkapitalsumme von 63 Mrd. Euro entspricht. Wie groß die Vergleichszahlen bei den privaten Banken sind, ist nicht bekannt. Die Verluste der privaten Banken müssten sich im Bereich von 45 Mrd. Euro bewegen, wenn der Prozentanteil die gleiche Größenordnung haben sollte. Die bislang geschätzten Werte bewegen sich indes nicht annähernd auf diesem Niveau.

Dass die Landsbanken so stark von der Subprime-Krise betroffen sind, ist kein Zufall, sondern systembedingt. Sie waren auch bei der Asienkrise Ende der neunziger Jahre in besonderem Maße dabei. Die WestLB konnte sich damals zum Glück auf die Sonderhilfen des Landes Nordrhein- Westfalen (Wohnungsbauförderanstalt) stützen, die von der EU bemängelt worden waren. Auch die Krise der Helaba Mitte der 1970er Jahre oder die Krise der Bankgesellschaft Berlin aus dem Jahr 2001, die den Staat teuer zu stehen kamen, nähren den Verdacht unguter Geschäftsmodelle.

Landesbanken sind reine Staatsbanken, aber sie helfen weniger dem Mittelstand oder der deutschen Wirtschaft durch Ausreichung günstiger Kredite, wie man es auf den ersten Blick vermuten könnte, sondern tummeln sich im internationalen Großkreditgeschäft und legen ihr Geld im großen Stil in risikobehafteten Wertpapieren an. Wegen des Schutzes der staatlichen Gewährträgerhaftung und der staatlichen Anstaltslast hatten sie dennoch lange Zeit Triple-A-Ratings. Ausgestattet mit der tollen Bewertung konnten sie ein Geschäftsmodell entwickeln, das im Wesentlichen darin bestand, sich billig auf den internationalen Kapitalmärkten zu refinanzieren und das Geld dann hochverzinslich und riskant in die ganze Welt weiter zu verleihen. Man investierte in englische Reisegesellschaften, kaufte sich bei der ungarischen Außenhandelsbank ein, beteiligte sich an französischen Versicherungen, erwarb Reedereien und eröffnete ein weltweites Filialnetz. Kaum ein Risiko erschien als zu hoch. Die aufstrebenden, aber noch schwachen Staaten Asiens gehörten genauso zu den Kunden wie die Investmentbanken der USA, die ihre dubiosen Kreditpakete los werden wollten. Aus der Zinsspanne zogen die Landesbanken ihre Gewinne. Daneben waren sie noch als Girozentralen tätig und haben Kredite an Großkunden ausgereicht, bei denen sich kleinere Institute verhoben hätten.

Erstaunlicherweise haben die Staatsbanken trotz ihrer Privilegien meistens nur unterdurchschnittliche Eigenkapitalrenditen verdient. Dass sie ihren Marktanteil gegenüber den Privatbanken trotzdem halten konnten und so schnell wuchsen wie diese, lag im Wesentlichen daran, dass sich die staatlichen Eigentümer mit geringeren Ausschüttungsquoten begnügten.

Das Geschäftsmodell der Landesbanken ist inzwischen zusammengebrochen, denn seit 2005 hat der EuGH die Gewährträgerhaftung und die Anstaltslast verboten, weil er darin ein ungerechtfertigtes Privileg gegenüber den Privatbanken sah. Nur noch eine Nachwirkungsfrist beim Staatsschutz, die sich bis zum Jahr 2015 auf Altpapiere erstreckt, erhält in einer Übergangszeit einen Teil des Zinsgewinns. Wegen dieser Frist hatten sich die Landesbanken vor dem Jahr 2005 noch kräftig mit Risikopapieren voll gepumpt und damit ihren Anlagenotstand erhöht. Auch die Funktion als Girozentralen der Sparkassen hat sich überlebt, weil die Sparkassen alle untereinander vernetzt sind. Mit immer gewagteren Anlagen haben manche Vorstände in den letzten Jahren gegenzusteuern versucht, aber das Resultat ist, wie man heute sieht, ein großer Scherbenhaufen. Die Landesbanken sind am Ende.

Sie suchen ihr Heil nun offenbar in Großfusionen. Die WestLB liebäugelt mit der Helaba, und die LBBW, die aus der Subprime-Krise noch glimpflich herauskommt, hat nach der Übernahme der SachsenLB ein Auge auf die BayernLB geworfen. Der Zusammenschluss der Landesbanken macht aber noch kein neues Geschäftsmodell. Die horizontale Verbindung gleichermaßen vom Verlust der Gewährträgerhaftung betroffener Institute wird die notwendige Eigenkapitalrendite auch nicht herbringen. Kranke werden nicht dadurch gesund, dass man sie alle im gleichen Zimmer versammelt.

Ein mögliches Geschäftsmodell bietet die italienische Unicredit, die ja die HVB übernommen hat. Sie ist aus einem Verbund italienischer Sparkassen entstanden. Die Kommunen als Eigentümer der Sparkassen haben ihr Eigenkapital in eine Stiftung eingebracht, und die Stiftung wurde zum Eigentümer einer neuen Großbank, in die die ehemaligen Sparkassen als Filialbetriebe eingegliedert wurden.

Ähnliches können auch die Sparkassen mit den Landesbanken machen. Der Charme dieser Lösung bestünde darin, dass hier nicht Gleiches mit Gleichem zusammenkommt, sondern zwei Typen von Banken, die sich als Komplemente gegenüberstehen und trefflich ergänzen. Die Sparkassen sind in der Fläche vertreten, sammeln dort die Spargelder ein und vergeben Mittelstandskredite, doch für das Großkundengeschäft und das Kapitalmarktgeschäft sind sie zu klein. Das wiederum beherrschen die Landesbanken. An die Stelle der billig auf den internationalen Kapitalmärkten aufgenommenen Mittel, die wegen des Wegfalls der Gewährträgerhaftung nun nicht mehr zur Verfügung stehen, können die niedrigverzinslichen Gelder treten, die die Sparkassen bei ihren Kleinkunden einsammeln. Und die Sparkassen finden Zugang zu besseren Renditen beim ausgeliehenen Geld, als ihnen der Mittelstand und ein begrenztes Kapitalmarktgeschäft allein gewähren konnten. So können beide Seiten aus einer vertikalen Fusion profitieren.

Das Problem ist nur, dass die Sparkassen ihre Unabhängigkeit nicht verlieren wollen und deshalb heftig gegen ein solches Modell opponieren. Aber den Widerstand muss man der Sache wegen wohl überwinden. Der Steuerzahler kann nicht immer mehr Geld in das vom EuGH zerstörte Altmodell pumpen. Vielleicht kann man die Bürgermeister mit Aufsichtsratsposten in den Stiftungen versöhnen, denen die neuen Großbanken dann gehören werden. Mit dem vielen Geld, das an die Stiftungen ausgeschüttet wird, können Sie in ihren Gemeinden viel Gutes tun.

Hans-Werner Sinn
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Erschienen in leicht gekürzter Form unter dem Titel "Großer Scherbenhaufen", WirtschaftsWoche, Nr. 18, 28. April 2008, S. 52.