Arminia braucht junge Talente mit Feuer

Hans-Werner Sinn (62) gehört als Chef des Münchener ifo-Instituts zu den bekanntesten Wirtschaftsforschern Deutschlands. Geboren wurde er 1948 in Bielefeld, wo er als Jugendlicher beim Vorortverein TuS Brake Fußball spielte. Zum VWL-Studium zog er 1967 fort, heute sieht er am häufigsten Spiele des FC Bayern. Aber Arminia hat er nicht vergessen, wie er im Gespräch mit Martin Krause versicherte.
Neue Westfälische, 13.01.2011, S. 3

Herr Professor Sinn, was verbinden Sie mit Arminia Bielefeld?

HANS-WERNER SINN: Als Jugendlicher, vor mehr als 40 Jahren, war ich oft mit meinem Onkel auf der Alm. Praktisch an jedem zweiten Sonntag. Das waren oft faszi-nierende Spiele mit Sportlern wie dem Verteidiger Dieter Schulz, an dem so schnell niemand vorbeikam, und dem Stürmer Jonny Kuster. Atemberaubend geradezu.

Mit den beiden gelang 1970 der erste Aufstieg in die Bundesliga. Jetzt ist Arminia Schlusslicht der 2. Liga. Glauben Sie, dass die nötige Aufholjagd gelingen kann?

SINN: Das wird schwierig. Die Professionalisierung im Fußball ist für Vereine wie Armina ein Problem, weil es heute um viel Geld geht. Wer viele Zuschauer hat und des-wegen viel Geld, der kann sich in aller Welt die besten Spieler zusammenkaufen. Früher lief es anders. Damals kamen die Fußballer jeweils aus der Umgebung, und ausschlag-gebend waren Leidenschaft und Talent. Ein Teil der Spannung ist verloren gegangen, weil vor dem Spiel schon klar ist, wer gewinnt.

Weil das Geld die Tore schießt?

SINN: Ja. Vereine, die hohe Einnahmen erzielen – vielleicht nur aus geografischen Gründen, weil sie da sind, wo viele Zuschauer und bestimmte Unternehmen sich für Fußball interessieren – gehören schnell zu den Besten. Wenn Sie die Allianz-Arena zur Verfügung haben, können Sie sich immer die besten Spieler leisten, auch wenn die kei-nen Bezug zum Verein und zur Region haben. Alle anderen Klubs können da kaum noch mithalten. Vielleicht bräuchte man im Fußball eine Lokalregel, nach der ein be-stimmter Prozentsatz der Spieler aus der Region kommen muss. Das würde für eine gleichmäßigere Verteilung der spielerischen Qualität sorgen und so die Spannung erhö-hen. Oder man gründet eine zweite Bundesliga mit Regionalvereinen, nur für Spieler aus der Region. Das würde spannend, weil dort alle nur mit Wasser kochen. Und die Zuschauer könnten sich leichter mit ihrem Verein identifizieren, als wenn die Spieler-schar aus Söldnern besteht, die aus fernen Ländern herangekarrt wurden.

Sie sind sehr skeptisch, was die Chancen für die kleinen Vereine betrifft?

SINN: Sobald sie größere Talente in ihren Reihen haben, werden ihnen die wegge-kauft.

Was muss passieren, damit Arminia es doch noch schafft?

SINN: Arminia kann natürlich das System nicht ändern. Der Verein kann sich aber selbst junger Talente bedienen, die noch billig sind, aber viel Feuer mitbringen. Mit der Unterstützung der Zuschauer könnte der Furor Teutonicus (teutonische Wut, die einst die Römer erschreckte, d. Red.) einen Ersatz für das viele Geld bieten, das anderen zur Verfügung steht. Das Besondere an der Alm war ja früher schon, dass die Zuschauer ganz dicht am Spielfeld sitzen und so mehr eingebunden sind. Wenn Sie in der Allianz-Arena in den hinteren Reihen sitzen, sehen Sie kaum, was los ist. Diesen Vorteil gilt es zu nutzen, und das geht am besten mit jungen Spielern, die sich noch begeistern können.

Ist eine Profi-Fußballmannschaft wirklich ein Werbeträger für eine Stadt oder Region?

SINN: Ich glaube schon. Bundesliga und auch 2. Liga werden viel geschaut. Wenn ein Verein erfolgreich ist, bietet es sich für Unternehmen an, dort zu werben. Auch für Bielefeld ist Arminia natürlich ein Pluspunkt – Arminia kennt man überall.

Profifußball als Standortfaktor?

SINN: Fußball gehört für viele zur Lebensqualität. Ein entsprechendes Angebot stärkt den Standort.