Ifo-Chef Sinn für Steuersenkungen bei Konjunkturflaute

Interview mit Hans-Werner Sinn, Reuters, 19.02.2008

Berlin (Reuters) - Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn rät der Bundesregierung für den Fall eines Abschwungs zum Eingreifen.

"Steuern senken wäre bei einem Konjunktureinbruch das Effektivste, weil das in der Fläche wirkt", sagte Sinn am Dienstag in einem Reuters-Interview. Höhere Staatsausgaben wirkten dagegen nur punktuell. Den Zeitpunkt für Steuersenkungen hält der Wirtschaftsprofessor allerdings noch nicht für gekommen. Erst bei deutlichen Anzeichen für eine stärkere Flaute oder gar eine Rezession sei dies sinnvoll. "Sonst verschießt man sein Pulver vorzeitig." Die Bundesregierung müsse aber für den Fall einer merklichen Konjunktureintrübung gewappnet sein.

Sinn rechnet in diesem Jahr mit einem Wachstum von nur noch 1,6 Prozent. Im Dezember hatte sein Münchner Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) noch 1,8 Prozent vorausgesagt. "Das haben wir etwas reduziert angesichts der dunklen Wolken, die aus Amerika zu uns kommen", sagte Sinn. Die Arbeitslosigkeit werde dennoch um eine halbe Million auf 3,3 Millionen und damit deutlicher als bislang angenommen sinken. Wegen der zunehmenden Beschäftigung werde der private Konsum um 1,3 Prozent wachsen und zur wichtigen Konjunkturstütze aufsteigen. "Wenn mehr Leute arbeiten, steigt die Lohnsumme."

"WIR BRAUCHEN NOCH VIELE JAHRE LOHNZURÜCKHALTUNG"

Die Tarifpartner mahnte Sinn, die Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre beizubehalten. "Wenn wir den Trend hin zur Vollbeschäftigung weiter verlängern wollen, dann können die Löhne auf absehbare Zeit nur um die Inflationsrate steigen", sagte der Ifo-Chef. "Die deutsche Industrie hat immer noch die dritthöchsten Stundenlohnkosten weltweit." Die Teuerungsrate lag 2007 bei 2,2 Prozent. Sie werde sich auch in diesem Jahr zwischen 2,1 und 2,5 Prozent bewegen, sagte der Ökonom.

Die Gewerkschaften fordern auch als Ausgleich für gestiegene Lebenshaltungskosten kräftige Lohnzuwächse von bis zu zehn Prozent. Sinn rät dazu, die "Strategie der Bescheidenheit" beizubehalten. "Wir brauchen leider noch sehr lange Lohnmäßigung, weil die Kräfte der Globalisierung, die uns mit Niedriglöhnen bedrängen auf aller Welt, nicht geringer werden."

Neben dem Konsum dürfte der Export den deutschen Aufschwung tragen - trotz des starken Euro und der schwächelnden US-Wirtschaft. "Die Exportwirtschaft profitiert stark von der Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland, besonders nach Osteuropa." Allerdings lasse das Exportwachstum nach.

Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) hält Sinn derzeit nicht für notwendig. "Es ziehen dunkle Wolken heran aus Amerika. Sie haben Europa aber noch nicht erreicht. Und ob es dann regnen wird, ist noch nicht klar." Deshalb sei es zu früh, die Zinsen zu senken. Die EZB hält ihren Leitzins seit Sommer 2007 stabil bei vier Prozent. Die amerikanische Notenbank hat dagegen mit massiven Zinssenkungen ihrer Wirtschaft unter die Arme gegriffen.