Energiewende: Er stellt die "Sinn-Frage"

Johannes Geigenberger

Welche Autos fahren die heimischen Unternehmer derzeit? Was für Modelle gerade angesagt sind, ließ sich am Dienstagabend rund um das Altöttinger Kultur- und Kongressforum beobachten. Die „Meine Volksbank Raiffeisenbank“ hatte zum Unternehmerabend eingeladen, und die Firmenkunden kamen gerne – viele davon im schicken E-SUV: ob von BMW, Mercedes oder Tesla. Die Illusion, damit etwas fürs Klima zu tun, nahm der Gastredner des Abends, Top-Ökonom Hans-Werner Sinn, den anwesenden E-Fahrzeughaltern allerdings: „Elektroautos sind Kohleautos“, so der ehemalige Chef des Ifo-Instituts. Was er damit meinte: „Noch kommt der überwiegende Strom eben nicht aus erneuerbaren Quellen, sondern aus Kohle, Gas und Atom.“ Und wegen der „Lücke“ zwischen Zeiten, in denen viel Solar- und Windstrom zur Verfügung steht, und Zeiten, in denen die Tage kurz sind, aber der Strombedarf hoch (November), werde das auch noch lange so sein, ist Sinn überzeugt – es sei denn, es gelinge mittels Wasserstoff und Co. echte Energie-Speicherkapazitäten aufzubauen.

„Schon Merkel stellte die falschen Weichen“Seine Kritik an den Maßnahmen zur Energiewende war nur ein Teil seines Rundumschlags. Die deutsche (Wirtschafts-)Politik habe bereits zu Merkel-Zeiten die falschen Weichen gestellt. Schon die große Koalition habe „getrieben von grüner Ideologie“ begonnen, durch Verbote eine lenkende Wirkung auf die Wirtschaft auszuüben. Und das, ohne Alternativen an der Hand zu haben. Die Denke: „Man muss nur die Unternehmen unter Druck setzen, dann werden sie schon innovativ und finden Lösungen“, sei grundfalsch – und stärke letztlich China, die USA und Co. , denen die EU-Klimaziele Wurst seien. Dem Klima sei daher mit dem deutschen Verhalten alles andere als geholfen, so der Ökonom, der deshalb die ganz grundsätzliche „Sinnfrage“ bezüglich der Klimaziele stellte. „Zumal feststeht, dass die CO2-Neutralität bis 2045 nicht erreicht werden kann“, rechnete der ehemalige Ifo-Chef vor.

„Sinn und Verstand“ in der Politik vermisste der Ökonom auch bei anderen akuten Problemen, die überwiegend hausgemacht seien. Beispiel: Galoppierende Inflation. Nicht der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit einhergehenden verteuerten Energiepreise seien dafür verantwortlich – „die Energiepreise sind mittlerweile gefallen, die Inflation ist noch da“ – sondern vielmehr die zügellose Geldpolitik der Europäischen Zentralbank seit der Eurokrise.

„Die Zentralbank wird Zinspolitik nicht fortsetzen“Diese sei nun in der Zwickmühle, weil sie das lehrbuchhafte Mittel zur Inflationsbekämpfung – das Anheben der Leitzinsen – nicht so anwenden könne, wie es nötig wäre. Denn nach den ersten Zinsschritten seien nun bereits die ersten Banken ins Wanken geraten – siehe Silicon Valley Bank und Credit Suisse. „Ich glaube deshalb nicht, dass die EZB den Zinskurs fortsetzen wird“, so Sinn, der bei dieser Gelegenheit Banken lobte, die traditionell eine hohe Eigenkapitalquote haben – wie etwa Genossenschaftsbanken. Die Gastgeber beim Unternehmerabend von der „Meine Volksbank Raiffeisenbank“ um Vorstandsmitglied Rainhard Frauscher fühlten sich dadurch natürlich geschmeichelt. Trotzdem bekommen auch die VR-Banker die geänderten Bedingungen zu spüren, etwa im Immobiliengeschäft. „Die Zeiten, in denen sich Immobilien verkaufen wie von selbst, sind vorbei“, sagte Firmenkunden-Chef Michael Mitterer. Er wie auch Frauscher dankten Sinn herzlich für seinen zweistündigen Vortrag. Was fährt der Ökonom eigentlich selbst für ein Auto? Die spannende Antwort: Zumindest als Zweitwagen stand bei Sinn laut „Handelsblatt“ lange Jahre ein Trabi in der Garage.

Ein ähnlicher Vortrag wie ihn der Ökonom bei der Unternehmerveranstaltung gehalten hat ist auch auf https://www.ifo.de/mediathek zu finden.