„Jetzt haben wir den Schlamassel“

Hans-Werner Sinn über die Fehler, die zu dieser neuen Bankenkrise geführt haben

Die Welt, 16. März 2023, S. 9.

Die Pleite der Silicon Valley Bank in den USA verunsichert die Finanzmärkte. Die Folgen – und ob das zu einer schweren Krise führt – sind noch völlig ungewiss. Zumal am Mittwoch auch noch neue schlechte Nachrichten von der Crédit Suisse den Markt unter Druck setzten.

WELT bat Hans-Werner Sinn, ExChef des Münchener Ifo-Instituts und einer der besten Wirtschafts-Erklärer im Land, um eine kurze Einschätzung der Situation und der möglichen Auswirkungen.

WELT: Herr Sinn, jetzt wird oft der Vergleich zum Lehman-Crash von 2008 gezogen, um Risiken zu beschwichtigen. Verkennt das nicht, dass sich auch damals die Krise erst langsam entwickelte?

HANS-WERNER SINN: Jede Krise ist anders und doch wieder ähnlich. Damals standen die verschachtelten Finanzprodukte im Vordergrund, deren Risiken falsch berechnet und beschönigt worden waren. Dieses Mal stehen Zinsänderungsrisiken im Fokus. Die zur Inflationsbekämpfung nötigen Zinserhöhungen haben die eigentlich soliden, aber niedrig verzinslichen Staatsanleihen der Silicon Valley Bank entwertet und Eigenkapital vernichtet.

Aus der Lehman-Pleite wollten Politik und Finanzwirtschaft Lehren ziehen. Was ist schiefgelaufen, dass jetzt für die Schäden, die durch Banken entstehen, erneut Steuergeld eingesetzt werden muss?

Die Eigenkapitalanforderungen an die Banken sind viel zu gering, zumal das Eigenkapital großenteils selbst nur rechnerisch durch die Zinssenkungen der Vergangenheit entstanden ist, die zu einer künstlichen Aufblähung der Werte der Anlagen führten. Mit höheren Eigenkapitalpuffern oder dem Verbot, Dividenden qua Verschuldung aus bloßen Wertzuwächsen zu bezahlen, hätte die Pleite vermieden werden können.

Am Mittwoch schickten schlechte Nachrichten zur Crédit Suisse die Märkte zusätzlich auf Talfahrt. Der europäische Bankenindex stürzte phasenweise um sieben Prozent ab. Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass sich die Krise ausweitet und eventuell auch nach Europa überschwappt?

Die Gefahr besteht, weil in Europa grundsätzlich nach den gleichen Regeln bilanziert wird wie in den USA. Auch bei uns durften die Banken und Finanzinstitute die durch die Zinssenkungen der Vergangenheit entstandenen Wertzuwächse bei den Anlagen als normale Gewinne verbuchen und auch verwenden. Die Zentralbanken werden aber gegenhalten.

Die US-Notenbank Fed hat bereits signalisiert, den Zinserhöhungszyklus zu stoppen, um die Stabilität der Märkte zu gewährleisten. Ähnliche Spekulationen gibt es um die EZB. Weitere Zinserhöhungen wären aber nötig, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Zahlen für diese Krise also am Ende auch wieder die Verbraucher?

So ist es. Ich habe jahrelang davor gewarnt, dass die Notenbanken mit ihrer ultralockeren Geldpolitik Blasen aufbauen und den Rückwärtsgang blockieren. Jetzt haben wir den Schlamassel. Es lief alles vorhersehbar ab. Die Zinssenkungen hatten die Kapitalmärkte wegen der dadurch entstehenden Wertzuwächse glücklich gemacht. Die Rückkehr der Zinsen auf ein der Inflation angemessenes Niveau, die jetzt versucht wird, ruft weltweit im Bankensystem Probleme hervor und wird deswegen nicht stattfinden.



Das Interview führte Michael Höfling.