ifo-Präsident Hans-Werner Sinn erklärt die Finanzkrise

ifo Pressemitteilung, 17. Dezember 2008

Vergangenen Montag sprengte das Münchner Seminar, eine gemeinsame Veranstaltungsreihe der CESifo GmbH und der Süddeutschen Zeitung, die Kapazität der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität. Zum Vortrag von ifo-Präsident Hans-Werner Sinn kamen fast 1000 interessierte Zuhörer.

Dicht gedrängt standen sie an den Seiten, in den Gängen und auf der Empore. Der Boden und die Treppenstufen wurden zu Sitzplätzen umfunktioniert. Sogar vom Flur aus, vor den Toren der Aula, lauschten die Zuhörer und waren mucksmäuschenstill. Einige Studenten hatten vor der Veranstaltung Transparente gegen Studiengebühren entrollt. Auch sie hörten dem Vortrag gebannt zu. Prof. Sinn kommentierte die Situation vor seinem Vortrag mit dem Hinweis, dass ihm die gedrängte Atmosphäre sehr gefalle, weil er dadurch an sein eigenes Studium und die 68er Zeit erinnert würde.

"Die Hauptursache der Krise liegt in der Haftungsbeschränkung der Bankaktionäre, die die Ausschüttung und die Minimierung des Eigenkapitals erst interessant macht", erklärte Sinn. Die Haftungsbeschränkung sei zwar im Prinzip eine sinnvolle Einrichtung, mit der der Gesetzgeber die Gründung von Kapitalgesellschaften im neunzehnten Jahrhundert überhaupt erst ermöglicht hat. Die amerikanischen Investment Banken hätten die Haftungsbeschränkung jedoch im Übermaß ausgenutzt, indem sie ihre Gewinne ausschütteten, um so die möglichen Verluste in unsicheren Zeiten zu minimieren. Wegen des nur minimalen Eigenkapitals der Banken sei es zum Glücksrittertum gekommen. Die Aktionäre der Banken hätten gewusst, dass ein Teil der möglichen Verluste von anderen, nämlich den Gläubigern und/oder den Steuerzahlern zu tragen sein würden. Je größer die Streubreite der Erträge, desto größer die erwarteten betriebswirtschaftlichen Gewinne, weil ein Teil der Verluste auf andere abgewälzt werden kann. Sinn betonte, dass auf diese Weise nicht nur das "Glücksrittertum der Wall Street" zu erklären sei, sondern erläuterte, dass man auf ähnliche Weise auch erklären könne, warum "Main Street gezockt" habe. Normale Hausbesitzer hätten sicher sein können, dass sie im Fall der Überschuldung nicht mit ihrem Arbeitseinkommen oder sonstigen Vermögen würden haften müssen. Deswegen hätten sie die möglichen Verluste ihrer Engagements vernachlässigt und sich nur auf die Gewinnchancen konzentriert. Das sei die eigentliche Ursache der Immobilienblase.

Sinn forderte strengere Mindesteigenkapitalregeln und Pflichtzuweisungen von Eigenkapital an die Banken im Rahmen des deutschen Rettungspaketes. "Sonst können wir eine Kreditklemme nicht verhindern", sagte Sinn. Die Banken hätten damit den benötigten Puffer, um in der Zukunft neue Krisen besser überstehen zu können. Durch die Vergrößerung der Haftungssummen wachse zudem die Sorgfalt, die die Aktionäre von ihren Vorständen verlangen. Dadurch komme es zu vorsichtigeren Geschäftsmodellen und Entlohnungssystemen, die eher auf eine nachhaltige Sicherung des Unternehmenserfolgs ausgerichtet sind. Solche Maßnahmen seien freilich international zu harmonisieren, um einen Laschheitswettbewerb der Regulierungsbehörden zu vermeiden.