Literaturbericht: Die Bankenkrise und die internationale Politik

Presseecho, WeltTrends, 01.01.2010, Nr. 70, S. 115

Hans-Werner Sinn setzt in seinem Kasino-Kapitalismus andere Akzente. Für ihn sind es global fehlverteilte makroökonomische Finanzströme, die diese Krise mitbedingt haben. Das Defizit der amerikanischen Kapitalbilanz betrug im Jahr 2008 5 Prozent oder nominal 790 Milliarden US-$. China, Deutschland und Japan waren die drei großen Finanziers des amerikanischen Kapitaldefizits. Dass China für 21 Prozent der Nettokapitalexporte im Jahr 2008 verantwortlich ist, hält der Chef des IFO-Instituts für ebenso anormal wie die Tatsache, dass ein so ressourcenreiches Land wie die USA einen Anteil von 49 Prozent der Nettokapitalimporte absorbierten. Die Weltkapitalstruktur hing also sehr lange von der Bereitschaft eines Staates und seiner Bürger ab, sich relativ bedingungslos zu verschulden und die Kosten für ihren Gegenwartskonsum in die Zukunft zu verschieben. Die Gläubiger, die mit Hilfe einer laxen Wechselkurspolitik die Preise für ihre Güter artifiziell verbilligten, nahmen diese Asymmetrie in den Handelsbeziehungen gern in Kauf und sind nicht aus der Verantwortung zu entlassen, so Sinn. Die Verschuldungskrise der USA wird dauerhaft hemmende Folgen für die Weltwirtschaft haben, denn die durch den Immobilien-Hype verursachte private Rekordverschuldung der Privaten wird in den USA quasi vom Staat übernommen, aber insgesamt wird die amerikanische Schuldenpolitik dazu führen, dass die USA mittelfristig als Konjunkturlokomotive ausfallen.

Als besonders interessant erweisen sich Sinns Ausführungen zu den potenziellen Entwicklungen in Europa. Hier wirkt die Tatsache besonders negativ, dass viele osteuropäische Länder hohe Auslandsschulden aufweisen. Ein Teil dieser Schulden ist in Auslandswährungen verrechnet, wodurch die Abwertung der eigenen Währung zu einer immer höheren Verschuldung beiträgt. Polen ist von diesem Mechanismus nach Ungarn in besonderer Weise betroffen, da 80 Prozent der polnischen Hypothekenkredite in Schweizer Franken notiert sind. Durch Leerverkäufe von Hedgefonds hat der Zloty vom Februar 2008 bis Februar 2009 um 23 Prozent an Wert verloren. Dadurch gerieten polnische Hausbesitzer in massive Überschuldung. Da sind Euro-Anleihen die richtige Lösung zur Stabilisierung des gesamten Währungsraumes? Nein, meint Sinn, denn diese von der Europäischen Investitionsbank auszugebenden Anleihen, die Kredite zu einem einheitlichen Zinssatz für alle Länder gewähren sollen, wären ein sehr hoher geldwerter Vorteil für die als eher instabil geltenden Länder. Deutschland, welches das höchste Vertrauen weltweit genießt und dadurch die geringsten Zinsen für die eigenen Staatsanleihen berappen muss, müsste bei der Homogenisierung des Zinssatzes durch Euroanleihen einen Zinsaufschlag von 0,78 Prozent verkraften, was einer jährlichen Nettobelastung des Steuerzahlers von circa 13 Milliarden Euro jährlich entspräche. Insgesamt kritisiert Sinn die Tatsache, dass Deutschland ohnehin schon 20 Prozent des EU-Budgets zahlt und nur 12 Prozent zurück erhält, obwohl sein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf nur an elfter Stelle der EU-Länder liegt. Der Nationalstaat wird vorerst nicht durch eine gemeinsame EU-Wirtschaftspolitik ersetzt — für Sinn ist das gut so.