Ökonomie-Märchen entlarvt

Presseecho, buch review, Wiener Zeitung, 27 Okt 2005

Buchtipp

Deutschlands Gewerkschafter und Österreichs Finanzminister haben neuerdings ein gemeinsames Thema: Sie jubeln über Exporterfolge, denn Deutschland ist Vizeweltmeister beim Export, und Österreich konnte seine Ausfuhren zuletzt um über 40 Prozent steigern. Die deutschen Gewerkschaften jubeln, weil sie meinen, höhere Exporte müssten zwangsweise auch zu höheren Löhnen führen. Doch hier irren sie. Denn bei genauem Hinsehen merkt man, dass aus Deutschland immer weniger deutsche Produkte exportiert werden. Man pickt nur immer öfter "Made in Germany" auf chinesische und indische Produkte. Gleiches gilt übrigens für die österreichischen Waren und das hiesige Exportwachstum.

Und damit wird noch ein weiteres Märchen als solches entlarvt die österreichische Wirtschaft ist nicht deswegen so erfolgreich, weil es hier so maßvolle Lohnabschlüsse gibt. Tatsächlich wird unsere Produktivität nämlich durch niedrig bezahlte Chinesen, Inder und Koreaner gesteigert. Umgekehrt heißt das aber: Die österreichischen Exporterfolge sichern Arbeitsplätze in China, Indien und Korea. Warum Österreichs Finanzminister Grasser über die 40-prozentige Exportsteigerung jubelt, ist überhaupt völlig unklar. Für's Budget bringt das wenig bis gar nichts. Im Gegenteil diese Exportsteigerung wurde durch niedrige Unternehmenssteuern und Erleichterungen für Konzernbetriebe erkauft. Zölle gibt es kaum mehr, und auch Mehrwertsteuer wird im Exportgeschäft nicht bezahlt, sondern höchstens vom Finanzamt rückerstattet. Viele Exportgüter müssen sogar aus Steuermitteln subventioniert werden. Aber offenbar hat man in Deutschland und Österreich die Formel Export = Wachstum = höheres Einkommen so verinnerlicht, dass man gar nicht auf die Idee kommt, diese Kausalkette zu hinterfragen.

Dies macht nun dankenswerterweise Hans Werner Sinn. Der deutsche Volkswirt hat diesen ökonomischen Kurzschluss entlarvt und den Begriff von der Basar-Ökonomie gewählt. Das Buch selben Titels ist allen zu empfehlen, die wissen wollen, was Globalisierung wirklich heißt, aber auch welche sozialen Maßnahmen sie erfordert. In jedem Fall ein Buch, mit dem man in die Zukunft blicken kann - und daher nicht nur für Finanzminister und Gewerkschafter zu empfehlen.