Was heißt schon deutsch?

Presseecho, Westdeutsche Allgemeine, 09.02.2006

Die These von einer Basar-Ökonomie wirft ein anderes Licht auf den Exportrekord der heimischen Unternehmen.

Von Ulf Meinke

Bei Wirtschaftsexperten bleibt der Jubel über den Weltmeistertitel der Außenhandelsbranche gedämpft

Essen. "Wie viel Deutschland steckt in Porsche?" Diese provokante Frage stellt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer - und seine Antwort hat viel mit der aktuellen Exportstatistik zu tun. "Die Modelle Cayenne und Boxster werden zu wesentlichen Teilen von Produktionsdienstleistern im Ausland gebaut", gibt der Professor von der Fachhochschule Gelsenkirchen zu bedenken. "Über die Jahre 2000 bis 2004 betrug der Deutschland-Produktionsanteil beim Boxster knapp 13 Prozent." Das Beispiel illustriere eine neue Ausrichtung beim Luxus-Autohersteller Porsche: "Es wird zunehmend im preisgünstigen Ausland eingekauft, das Produkt komplettiert und dann in Deutschland aufgebaut."

Die Basar-Ökonomie-These des Münchner Wirtschaftsforschers Hans-Werner Sinn lässt grüßen. Weltweit wachsen die Exportzahlen an. Grund dafür ist, dass die Firmen ihre Produkte über die Grenzen hinweg fertigen. "Mittlerweile haben viele Waren, bis sie endgültig exportiert werden, mehrfach Landesgrenzen überschritten", erläutert Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).

Deutschland führe nur deshalb die Statistik an, weil die Unternehmen einfache Arbeiten aus dem Ausland einkaufen, sagt Michael Hüther, der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). "Die entscheidende Frage lautet: Wie erreichen wir ein Lohnniveau, dass die Arbeitslosigkeit unter Geringqualifizierten verringert?", betont Hüther. Einig sind sich die Experten darin, dass die ökonomische Aussagekraft des Titels Exportweltmeister begrenzt ist.

"Die Niedriglöhne der Osteuropäer sind zu verlockend, als dass man ihnen widerstehen könnte, zumal viele Konkurrenten in Asien und anderen Teilen der Welt noch niedrigere Löhne zahlen", hat Sinn einmal formuliert. Eine Folge: Auch Waren mit dem Etikett "Made in Germany" werden zunehmend mit Vorprodukten aus Niedriglohnländern produziert. "Deutschland entwickelt sich in Richtung einer Basar-Ökonomie, die die Welt mit preisgünstigen und hochwertigen Waren bedient, die gar nicht mehr hierzulande produziert worden sind." Vor diesem Hintergrund bleibt der Jubel über den Exportrekord gedämpft. "Die deutsche Exportwirtschaft ist im Gleichschritt mit dem Welthandel gewachsen", erläutert Konjunkturexperte Döhrn. Nicht mehr, nicht weniger.

Gleichwohl ist vor allem der Export die Stütze der deutschen Konjunktur. Während die Inlandsnachfrage weiter schwächelt, gelten die Ausfuhren als wichtigster Wachstumstreiber. Die Exporte trugen im vergangenen Jahr mit 0,7 Prozentpunkten zum Gesamtwachstum in Deutschland von 0,9 Prozent bei. Die Bundesrepublik exportierte Waren im Wert von 786,1 Milliarden Euro - das war mit einem Plus von 7,5 Prozent ein historischer Rekord. Die USA als Nummer zwei im Welthandel haben voraussichtlich Güter im Wert von rund 772 Milliarden Euro ins Ausland verkauft. Auf Platz drei der weltweiten Exportstatistik rangiert die wachsende Wirtschaftsmacht China mit knapp 640 Milliarden Euro. Alexander Koch von der Hypovereinsbank nannte es wahrscheinlich, dass Deutschland auch 2006 Exportweltmeister bleiben wird: "Erst ab 2008 könnten dann die Chinesen alle überholen."