ifo Standpunkt Nr. 140: Garantien für die Banken Südeuropas

Autor/en
Hans-Werner Sinn
München, 03. Dezember 2012

Nach den heftigen Diskussionen im Sommer ist es still geworden um das Thema Bankenunion. Aber die Ruhe ist trügerisch, denn hinter verschlossenen Türen treiben die EU-Kommission, Frankreich und die Südländer die Bankenunion mit großer Energie voran. Da Deutschland die Einrichtung einer Aufsichtsbehörde zur Bedingung dafür macht, dass marode Banken mit Geldern aus dem Rettungsschirm ESM gerettet werden dürfen, will man so schnell wie möglich etwas vorzeigen können, das sich Bankenaufsicht nennen lässt. Was dabei jedoch herauszukommen droht, ist schrecklich.

Da ist zunächst einmal der Umstand, dass die Aufsicht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt wird. Das ist nicht nur insofern problematisch, als es bei allen Beteiligten die unwiderstehliche Versuchung entstehen lässt, marode Banken, die eigentlich abzuwickeln sind, mit frischem Kredit aus der Notenpresse zu versorgen. Noch schlimmer ist es, dass die EZB schon bislang in riesigem Umfang marode Banken finanziert hat, indem sie sich mit den windigsten Sicherheiten für Refinanzierungskredite zufrieden gab. Das hat Jens Weidmann schon im Februar in einem Brief an Präsident Draghi moniert.

Wenn die EZB nun vor der Entscheidung steht, eine private Bank für bankrott zu erklären, abzuwickeln und ihre eigenen Kreditforderungen gegenüber dieser Bank abzuschreiben oder aber die Bank für sanierungsfähig zu erklären, um ihr damit den Zugang zu ESM-Mitteln zu verschaffen, ist klar, wie sie sich entscheidet. Das ist, als ob man dem Verkäufer einer Schrottkarre das Recht gibt, seinem Auto selbst die TÜV-Plakette zu erteilen.

Eine adäquate Repräsentanz der noch gesunden Länder in der neuen Aufsichtsbehörde könnte vielleicht helfen, das absehbare Desaster abzumildern. Davon kann aber keine Rede sein. Es deutet sich vielmehr an, dass die Entscheidungsstrukturen in der neuen Aufsichtsbehörde wie im EZB-Rat verlaufen. Das heißt: Wieder wird jedes Land eine Stimme haben, egal ob groß oder klein, und die Bundesrepublik Deutschland muss froh sein, wenn sie sich gegen Malta durchsetzen kann. Die Mehrheit der Club-Med-Länder, die die Bundesbank seit zweieinhalb Jahren an die Wand drückt, bleibt unangefochten erhalten – und darf dann auch noch darüber entscheiden, welche europäischen Banken für eine Rettung durch die Garantien des ESM in Frage kommen.

Sicher, im ESM gibt es eine Sperrminorität, wenn es um die großen Programme geht. Aber diese bezieht sich vermutlich nicht auf Einzelentscheidungen wie die Rettung spezifischer Banken. Bei der Formulierung des ESM-Vertrages hat die Politik vorgesorgt. Bei solchen Entscheidungen werden einfache Mehrheiten reichen. Damit ist der Weg zur Rettung der überschuldeten Banken Südeuropas mithilfe der Steuergelder der noch gesunden Länder Europas frei.

Auch rechtlich will man jegliche Hindernisse beseitigen. Das wird am deutlichsten am Vorschlag der EU-Kommission zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, auf den mich mein Kollege Harald Hau von INSEAD hingewiesen hat. Dort heißt es in Artikel 52 in verwirrender Sprache, dass das Instrument der Gläubigerbeteiligung („Bail-in tool“) so eingesetzt werden soll, dass es den Wert der Forderungen der Gläubiger maximiert und die Investoren beruhigt, was die Erlaubnis verlange, es bis zum 1. Januar 2018 nicht einzusetzen.

Offenbar will die EU-Kommission dem ESM eine Art Gewährträgerhaftung für die Banken Südeuropas geben. Die Gläubiger dieser Banken brauchen keine Angst vor einer fortgesetzten oder gar erweiterten Kreditvergabe haben, weil der ESM eine kostenlose Kreditausfallversicherung bietet. Angesichts des Umstandes, dass dieselbe EU-Kommission die Gewährträgerhaftung des deutschen Staates für seine Landesbanken vor Kurzem als illegitime Subvention klassifiziert und verboten hat (was unter anderem zum Untergang der WestLB führte), ist dieser Sinneswandel geradezu grotesk. Seinen eigenen Staatsbanken musste der deutsche Staat die Garantien entziehen. Aber den kaputten Privatbanken Südeuropas soll er sie nun gewähren.

Wenn das tatsächlich so kommt, wird das Sparkapital der nördlichen Länder unter dem Schutz der Steuerzahler dieser Länder, die ja hinter der EZB und dem ESM stehen, in den Süden gelenkt, wo es angesichts der schlechten Erfahrungen eigentlich nicht mehr hin will. Die Fehlinvestitionen in Südeuropa, die die Eurozone bereits an den Rand des Ruins gebracht haben, können damit weiterlaufen.

Wieder einmal stellt Brüssel falsche Weichen, ohne dass sich die deutsche Politik und die Öffentlichkeit rechtzeitig darum kümmern. Wann endlich lösen sie sich aus ihrer geistigen Lethargie und begreifen die europäische Integration als ein Thema, um das sie sich im Interesse der Zukunft ihrer Kinder kümmern sollte.

Erschienen unter dem Titel „Weitere Garantien für Südeuropa“, WirtschaftsWoche, Nr. 46, 12. November 2012, S. 42. 

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn
Präsident a.D. des ifo Instituts