Interview auf der „Weltbühne“: Hans-Werner Sinn: Deutschland ist „der kranke Mann Europas“

Hans-Werner Sinn spricht gegenüber CNBC davon, dass Deutschland der „Kranke Mann Europas“ sei. Hier dazu einige Detailaussagen.

Finanzmarktwelt, 5. September 2023

Die Einkaufsmanagerindizes sind in die Kontraktion gerutscht, der ifo-Index rutscht weiter ab, Aufträge im Maschinenbau brechen ein, das BIP zeigt seit drei Quartalen Schrumpfung oder Stagnation. ifo-Index und Einkaufsmanagerindex sehen wir in der TradingView-Grafik seit dem Jahr 2015. Investitionskapital flieht derzeit regelrecht aus Deutschland, und immer häufiger hört man von der Abwanderung energieintensiver Industrie. Aber von Grünen und SPD hört man (vereinfacht ausgedrückt), man solle doch bitte nicht immer alles so schwarz sehen. Es laufe doch im Großen und Ganzen alles ganz gut hierzulande. Dass Deutschland wieder der „Kranke Mann Europas“ ist, das hört man seit einige Wochen und Monaten immer öfter von Kritikern der ausufernden Bürokratie und der Energiewende mit den exorbitant hohen Energiepreisen. Nun benutzt auch Hans-Werner Sinn, der ehemalige Chef des ifo-Instituts, diesen Ausspruch des kranken Mannes.

Hans-Werner Sinn mit klaren Worten bei CBNC

Er war schon immer ein Freund klarer Worte, und stellt sich Jahren gegen Entwicklungen, welche die marktwirtschaftlichen Regeln verzerren. Nun sprach Hans-Werner Sinn Klartext auf der „Weltbühne“, und zwar beim größten US-Wirtschaftssender CNBC. Damit werden seine Aussagen über Deutschlands wirtschaftliche Entwicklung sozusagen weltweit wahrgenommen. „Es handelt sich nicht um ein kurzfristiges Phänomen“. Seit 2018 gehe die Industrieproduktion in Deutschland zurück. Es habe mit der Automobilindustrie zu tun, die das Herz der deutschen Industrie sei und von der vieles abhänge, so Hans-Werner Sinn.

Weiter sagte er, dass die Zweifel der Investoren an der Realisierbarkeit der deutschen Nachhaltigkeitsziele auch dazu beitragen, dass das Land als der „kranke Mann Europas“ bezeichnet wird. CNBC verweist darauf, das die deutsche Regierung derzeit ins Auge fasst, bis 2045 CO2-neutral zu werden. Weiter sagte Hans-Werner Sinn, dass eine Abhängigkeit von erneuerbaren Technologien wie Wind- und Solarenergie zu einem „Volatilitätsproblem“ führen würde, das für Unternehmen problematisch werden könnte. Man müsste diese Lücken mit konventioneller Energie füllen, daher sei es sehr schwierig, diese doppelte Struktur zu haben, die man in Zukunft aufrechterhalten müsse. Auf der einen Seite die grüne, volatile Energie – und auf der anderen Seite die konventionelle Energie, um die Lücken zu füllen. „Das sind doppelte Kosten. Das sind hohe Energiekosten und das ist nicht gut für die Industrie. Es ist ein schwieriger Kurs“, so Hans-Werner Sinn.

Problem AfD

Die Fokussierung auf das Thema Nachhaltigkeit werde auch politische Auswirkungen haben. „Die Bevölkerung bewegt sich jetzt nach rechts“, so sagt es Hans-Werner Sinn bei CNBC, und bezog sich dabei auf die Popularität der AfD, die im Juni zum ersten Mal eine Landratswahl gewonnen hat. Er wolle nichts bewerten, aber es gehe um die Politik, die aus ideologischen Gründen völlig überzogen gewesen sei. Der Pragmatismus fehle ein wenig in der aktuellen Politik.

Nachzulesen auf www.finanzmarktwelt.de

CNBC-Interview