Interview mit Hans-Werner Sinn, Wirtschaftsblatt, 16.12.2008, S. 10
INTERVIEW Was muss geschehen, damit sich die Krise nicht wiederholt? Antworten von ifo-Präsident Hans-Werner Sinn
Der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn fordert im Gespräch mit dem WirtschaftsBlatt neue Regeln für die Banken und eigene Ratingagenturen in Europa.
WirtschaftsBlatt: Die Finanzkrise wirft die Frage auf, wie derartiges in Zukunft vermieden werden kann. Sie haben die beschränkte Haftung der Finanzinstitute kritisiert. Welche Maßnahmen empfehlen Sie?
Hans-Werner Sinn: Ich habe nicht die beschränkte Haftung kritisiert, sondern die Aushöhlung der Haftungsbeschränkung durch die Wahl minimaler Eigenkapitalquoten. Die Vorschriften für die Mindest-Kernkapitalquoten von Geschäftsbanken sollte auf zehn Prozent angehoben werden. Dann wäre die Haftung der Institute viel größer, denn das Eigenkapital wird zur Haftung herangezogen.
Wenn die Vorschriften aber nur in einzelnen Ländern oder der EU eingeführt werden, wird das nicht viel ändern...
Die Eigenkapital- und Bankenvorschriften müssen weltweit geändert und durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) implementiert werden.
Mitschuld am Zusammenbruch von US-Banken sind auch die Ratingagenturen gewesen, die keine verlässlichen Informationen zur Verfügung gestellt haben. Was sollte sich also bei ihnen ändern?
Ich denke, die Skepsis gegenüber den Ratingagenturen ist inzwischen groß. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich jemand bei der Bewertung von Asset-backed Securities (verbriefte Schuldverschreibungen, die in Wertpapiere umgewandelt werden, Anm.) weiterhin auf Ratingagenturen verlässt (derartige US-Papiere wurden zunächst gut bewertet und stellten sich dann als wertlos heraus, Anm.). Die Ratingagenturen müssen einer Regulierung unterworfen werden. Und außerdem sollte Europa eigene Ratingagenturen aufbauen.
Sie kritisieren auch das von den USA durchgesetzte Bilanzierungssystem IFRS, das von Großunternehmen weltweit verwendet wird. Welche Änderungen schlagen Sie vor?
Man muss Amerika dazu drängen, das Niederstwertprinzip anzuwenden, wie wir es in Deutschland (und Österreich, Anm.) hatten. Wich der Marktwert eines Wertpapiers von seinem historischen Ankaufswert ab, so ging stets der niedrigere Wert in die Bilanz ein. Laut IFRS müssen Unternehmen, die Wertpapiere besitzen, diese Quartal für Quartal entsprechend der Kursschwankungen wertberichtigen. Die ständige Berichtspflicht über nichtrealisierte Wertzuwächse und -verluste führt deshalb zu einer Übertragung der Kursschwankungen zwischen den Unternehmen und sendet Schockwellen durch das Finanzsystem.