Als der Euro vor 20 Jahren die D-Mark ablöste

Stefan Stahl, Augsburger Allgemeine, 8. Januar 2022, Nr. 5, S. 6-7.

Titel-Thema TV-Moderator Günther Jauch und der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel haben sich einst für die neue Währung eingesetzt. Wie sie sich heute an die Zeit erinnern. Der Ökonom Hans-Werner Sinn erklärt, was der Euro mit einem Rührei zu tun hat.

Günther Jauch lässt sich nicht gerne fotografieren. Eine Porträtaufnahme ist ihm dann aber doch ans Herz gewachsen. Das Bild hat mit der Einführung des Euro-Bargeldes zum Jahreswechsel vor 20 Jahren zu tun. Der 65-Jährige warb bereits im Mai 2001 im Auftrag der Bundesbank und der Kreditwirtschaft dafür, dass
Bürgerinnen und Bürger sich vor dem offiziellen Start der neuen Währung am 1. Januar von in Sparschweinen, Gläsern oder Kästchen schlummernden Beständen der geliebten D-Mark trennen und sie zur Bank bringen. Denn, so warnte Jauch als einer der schon damals populärsten Deutschen, „im Januar wird die Hölle los sein“. So war es auch. Jauch, in dessen RTL-Sendung Menschen seit 1999 zu Millionären werden können, forderte die Deutschen in Zeitungsanzeigen und auf Plakaten auf: „Her mit den Schlafmünzen!“

Denn jetzt könne man ohne Stress das angesammelte Kleingeld aufs Konto einzahlen und – was aus heutiger Sicht wie ein Märchen aus uralten D-Mark-Zeiten klingen mag - Zinsen kassieren. Auf dem Foto, das Jauch so gerne mag, sieht er passend zum Thema ordentlich verschlafen aus, ja derart müde, dass der Fernsehliebling mit der rechten Hand seinen Kopf abstützen muss. Ein Auge ist noch halb zu. Nicht einmal ein Lächeln huscht über das Gesicht der Werbefigur, die ihren Auftrag, für das historische Projekt der Euro-Einführung möglichst schläfrig dreinzuschauen, sehr ernst genommen hat. Im Gespräch mit unserer Redaktion zum Euro-Jubiläum erinnert sich Jauch an die Werbekampagne: „Ich sollte mich nicht kämmen, unrasiert sein und wurde nicht geschminkt.

Der Fotograf wollte, dass ich erscheine, als ob ich gerade aus dem Bett gestiegen wäre.“ Der Fotograf war Jim Rakete, einer der herausragenden Vertreter seines Fachs. Die Bundesbank setzte alles daran, die Werbekampagne zur Abschaffung der D-Mark zum Erfolg zu machen. Rakete, erinnert sich Jauch, sei nur mit kleiner Kamera angerückt und nach einigen Minuten fertig gewesen. Sonst dauern solche Sitzungen mit Stars oft mehrere Stunden.

Das ist Jauchs Euro-Geschichte. Um mitzuhelfen, dass sich die Deutschen rechtzeitig von ihrem Geld trennen, durfte er einmal sein Äußeres außen vor lassen, was ihm Spaß gemacht hat. Auch in TV-Spots betätigte er sich damals werbepsychologisch. In einem Beitrag schleicht der TV-Moderator, Fernsehproduzent und Journalist barfuß und mit Schlafanzug nachts durchs Haus, bückt sich unter einen Tisch und flüstert: „Psst Kinder, ich verrate Euch mal was. Bei euch zu Hause liegen Schlafmünzen rum, in Flaschen oder Gläsern. So wie in dem hier. Das sucht ihr und gebt es dem Papa oder der Mama für euer Sparbuch.“ Denn wenn der Euro kommt, müssten die Eltern das Geld ohnehin umtauschen.

Die Bezeichnung „Schlafmünzen“ belegte bei der Wahl zum Wort des Jahres 2001 immerhin den sechsten Platz. Rang eins ging an den Begriff „11. September“. Die Terroranschläge in New York und Washington hatten das Jahr schwarz gefärbt und zogen lange größeres Interesse auf sich als die anstehende Währungsumstellung.

Doch die Kampagne mit Jauch als nationaler Geld-Entlocker trug dazu bei, dass bis Ende 2001, also vor dem Start des Euro, 11,6 Milliarden D-Mark-Münzen an die Bundesbank zurückflossen und entwertet werden konnten. Bis heute dösen nach wie vor große Mark-Bestände in deutschen Haushalten, aber auch im Ausland vor sich hin. Denn selbst rund 20 Jahre nach dem Aus für die alte Währung konnte die Bundesbank Scheine und Münzen im Wert von rund 12,35 Milliarden D-Mark noch nicht einziehen. Das entspricht 6,31 Milliarden Euro. Die D-Mark verliert dabei nicht ihren Wert. Auf unbegrenzte Zeit können Menschen in Deutschland das Geld zum festen Kurs umtauschen: Einen Euro erhält man demnach für
1,95583 D-Mark. Oft kommen ganze D-MarkBündel in einer Plastiktüte nach Todesfällen bei Wohnungsauflösungen zum Vorschein. Sie sind in Büchern, alten Keksschachteln, in Mauerritzen oder der Erde im Garten versteckt worden, manchmal als Schwarzgeld, häufig als Rücklage für schlechte Zeiten. Ein Tierschutzverein bekam etwa ein Möbelstück gespendet. In ihm kamen 27.700 D-Mark zum Vorschein. Immer wieder taucht altes Geld auf. Doch der Bundesbank fehlen noch 163,8 Millionen Scheine und mehr als 23 Milliarden Münzen.

Selbst bei einer neuen Schlaf-D-Mark-Kampagne würde ein großer Teil des alten Bargelds wohl nicht zurückgegeben, schließlich horten manche die frühere deutsche Währung als Sammlerstück. Jauch zögert, ob er selbst einige Münzen aufgehoben hat. „Thea, haben wir noch D-Mark?“, fragt er seine Frau.
Am Ende meint er, es könnten noch zehn bis 20 D-Mark sein. Wie viele, die mit der Mark groß geworden sind, hat der Journalist aus Nostalgie einige Anschauungsstücke aufgehoben. Manchmal rechnet Jauch noch Euro- in D-Mark-Beträge um, aber immer seltener. Wenn es um größere Anschaffungen wie den Kauf eines Autos geht, kann er dem Reflex der Generation Mark nicht widerstehen. Und der Fernsehmann weiß noch heute, dass sein erstes Zimmer in München 140 D-Mark im Monat gekostet hat. Der Journalistenschüler war froh, in der teuren Stadt eine Bleibe gefunden zu haben – und das auch noch in Schwabing. Dabei versuchte der Familienvater, die D-Mark auch pädagogisch gegenüber seinen vier Kindern einzusetzen: „Ich habe ihnen erzählt, wie wenig Taschengeld ich im Vergleich zu heute einst bekommen habe und die Summen von Euro in D-Mark umgerechnet.“ Der Mann, der in seiner Sendung „Wer wird Millionär?“ bei mancher Kandidatin oder manchem Kandidaten mit allerlei humorvoll-erzieherischen Andeutungen zum Geburtshelfer von Rätsel-Erkenntnis wird, konnte bei seinem Nachwuchs mit Taschengeld-Argumenten aus grauen D-Mark-Zeiten kaum punkten: „Die Kinder rollten nur mit den Augen und ließen sich von mir nicht überzeugen.“

Sein Honorar für die Schlafmünzen-Kampagne hat Jauch gespendet, „wie ich es immer bei solchen Aktionen halte“. Dabei kann er es verstehen, dass sich viele Deutsche nur mit Widerwillen von ihrer Währung getrennt und sich zögerlich mit dem Euro angefreundet haben: „Die Menschen hatten ein großes Vertrauen in die D-Mark als Bollwerk gegen eine zu starke Teuerung. Die Urangst der Deutschen vor der Geldentwertung sitzt tief.“ Mit den Jahren hat sich die Europhobie vieler Deutscher verflüchtigt und die D-Mark-Nostalgie hat Staub angesetzt. Inzwischen, stellt die Bundesbank zum Jubiläum der neuen Währung heraus, sprechen sich 82 Prozent der Deutschen in einer Umfrage für den Euro aus. Doch noch fünf Jahre nach Einführung des europäischen Geldes fremdelte die Mehrheit mit dem Euro.
Nach einer Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach bekannten damals 57 Prozent, sie hätten wenig oder gar kein Vertrauen in die neue Währung. Im Jahr 2002 waren es sogar 70 Prozent. Der Euro hat hierzulande seine Anhängerschaft vergrößert, auch wenn sich nach einer Forsa-Umfrage etwa ein Drittel die D-Mark zurückwünscht. Jauch gehört nicht zu dem währungs-reaktionären Drittel. Der Journalist zögert zwar kurz, wenn er gefragt wird, ob er ein Fan des Euro sei. Er ist aber von den Vorzügen des Geldes überzeugt: „Die leidige Geldwechselei hatte damit ein Ende. Ich konnte mir einfach so mit Euro in Spanien eine Hose kaufen.“

Befürworter des Euro hatten (und haben) es in Deutschland dennoch zum Teil nicht leicht. Sie mussten wie der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel mit Anfeindungen, zum Teil wie der CSU-Politiker mit Morddrohungen leben. Jauch selbst brachte sein Engagement für das Einsammeln der D-Mark Münzen keinen Ärger ein: „Ich wurde nicht beschimpft.“ Dafür wird er umso mehr für seine Beteiligung an der Corona-Impfkampagne der Bundesregierung angegriffen. Sogar unter Nennung ihres vollen Namens attackierten ihn Menschen verbal als „System-Hure“. Jauch wurde angedroht, einst würde ein Volksgerichtshof zusammenkommen und ihn für sein schändliches Impf-Treiben die entsprechende
Strafe zukommen lassen.

Dabei hatte der Moderator im April vergangenen Jahres Pech: Kurz vor seiner Impfung fing er sich Corona ein, doch die Plakataktion, die ihn mit einem Pflaster nach der Spitze zeigte, war schon in der Welt und nicht mehr zu stoppen. Allerlei Häme wurde über ihn ergossen. Die Impfgegnerschaft sah sich bestätigt, dass der Piks gegen die Pandemie nichts bringe. Die Meinungen Einzelner, sagt Jauch, bekämen heute über die sozialen Netzwerke ein Gewicht, wie es vor 20 Jahren bei der Euro-Einführung nicht möglich war. Jauch kommt ins Nachdenken: „Hätte es damals auch schon Kommunikationsplattformen wie Telegram gegeben, wer weiß, was einem da alles an Hass von Euro-Kritikern entgegengeschlagen hätte.“ Er meint lachend: „Ich bin ganz gut im Umgang mit Verschwörungstheoretikern. Ich entwickle da keine Ängste.“ So nehme er es mit Humor, wenn ihm und seiner Frau Menschen bei einem Waldspaziergang aus 80 Metern Entfernung zurufen: „Dass Sie es nur wissen, wir lassen uns nicht impfen.“ Der mit allzu politischen Äußerungen geizende Jauch macht nach gut überstandener Corona-Erkrankung aus seiner Meinung gegenüber Impfverweigerern keinen Hehl und wirft der Gruppierung vor, „mit ihrem Starrsinn zig Millionen Menschen quasi in Geiselhaft zu nehmen“.

Wie Jauch wegen seines Engagements für das Impfen bedroht wird, muss sich einer der Väter des Euro, Theo Waigel, bis heute mit Hass-Kommentaren für sein nicht nachlassendes Engagement für die Währung herumschlagen. „Ich habe sogar eine Morddrohung bekommen. So einen wie mich müsste man erschießen, ließ mich einer wissen.“ Einmal habe er sich gewehrt und einem, der ihm mit Worten heftig zugesetzt habe, „am Telefon gründlich Bescheid gegeben“. Seit einigen Jahren ist es für Waigel an der Hass-Front ruhiger geworden. In der Rückschau sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion: „Ich hatte trotz der Drohungen nie Angst und fühle mich dank ausgezeichneter Personenschützer sicher.“

Wenn er auf die 20-jährige Geschichte des Euros als Bargeld zurückblickt, überwiegen für Waigel trotz aller persönlichen Anfeindungen bei Weitem die positiven Aspekte des „Jahrhundert-Projektes“, an dem er mit dem früheren Kanzler, seinem Freund Helmut Kohl, maßgeblich beteiligt war. Waigel wirkt mit sich und dem europäischen Geld im Reinen: „Der Euro hat die Bewährungsprobe bestanden. Die Inflation in Deutschland war in den vergangenen 20 Jahren im Schnitt niedriger als in den 20 D-Mark-Jahren zuvor.“

Und wenn die Teuerung im Euroraum dauerhaft über drei Prozent verharren sollte, müsse die Europäische Zentralbank eben die Zinsen erhöhen, fordert er. Der immer noch als Anwalt tätige Schwabe ist sich sicher, dass die EZB mit ihrer Chefin Christine Lagarde den Geldhahn zudreht, wenn der Preisanstieg zum
europäischen Langzeit-Gast wird.

Für den CSU-Politiker ist der Euro nicht „gescheitert“, wie das etwa die AfD beharrlich behauptet, sondern „ein Erfolgsmodell, ohne das Europa die Krisen der vergangenen 20 Jahre nicht so gut gemeistert hätte“.
Der Glaube von Waigel in den Euro wirkt unerschütterlich und so predigt er ausdauernd über die Vorzüge des Geldes: „Ohne den Euro würde China hinter dem Dollar die zweitwichtigste Reservewährung der Welt stellen.“ Und ohne den
Euro hätte die D-Mark während Krisen massiv zum Schaden deutscher Exporteure an Wert gewonnen. Ja, ohne den Euro wäre Europa in seine Einzelteile auseinandergefallen. Die Süd-Staaten müssten unter hohen Zinsen stöhnen und blickten neidisch auf das starke Deutschland mit seiner Mark. In Waigels Euro-Welt „haben alle von der Währung profitiert“. Wo bleibt seine Kritik an dem Projekt, schließlich hat sich die Finanzmarktkrise dank Schulden-Staaten wie Griechenland auch zu einer Euro-Krise ausgewachsen – mit negativen Folgen bis heute? Waigel hält inne und meint: „Man hätte Griechenland nie in den Euro aufnehmen dürfen. Das habe ich immer gesagt, auch frühzeitig griechischen Politikern.“

Bekanntlich hat sich die Regierung in Athen mit frisierten Zahlen den Weg in die Euro-Gemeinschaft erschummelt. Für Waigel steht aber fest: „Der Euro ist stabiler, als es die D-Mark je war. Er wird dauerhaft Bestand haben.“ Das bezweifelt selbst Hans-Werner Sinn, 73, nicht. Der frühere Präsident des Münchner ifo-Institutes und bekennende Euro-Skeptiker sagt unserer Redaktion: „Es gibt kein Raus aus dem Euro.“ Dabei zieht der Ökonom einen Vergleich mit der Nahrungsmittel-Welt: „Man kann auch aus einem Rührei nicht mehr das ursprüngliche Ei formen.“ Sinn warnt vor den Folgen der Währungspolitik: „Der Euro wurde eine Schuldengemeinschaft. Er funktioniert nicht.“ So haben sich aus Sicht des Wirtschaftswissenschaftlers
die schlimmsten Befürchtungen bestätigt, „auch weil die Europäische Zentralbank in einer Sackgasse ohne Ausweg steckt“. Diese besteht für den Experten darin, dass die EZB ihre expansive Geldpolitik, auch wenn die Inflation wie zuletzt kräftig zugelegt hat, nicht mehr entsprechend bremsen könne. Denn sonst müssten die Südlän
der deutlich mehr Geld für ihre Finanzierung ausgeben. Das wiederum könnte eine neue Euro-Krise heraufbeschwören. Dieser fatale Mechanismus wird auch von Euro-Freunden nicht bestritten.

Dabei räumt Sinn mit einer sich bis heute haltenden Verschwörungstheorie auf, nämlich dass sich der Euro nach seiner Einführung dauerhaft zum Teuro, einem Sprungbrett für Preiserhöhungen entwickelt hat. Wie schon im Juli 2002 sagt Sinn auch heute: „Der Euro war vor dem Jahr 2021 noch kein Teuro.“ Die Debatte der frühen Jahre habe für ihn im Bereich der Psyche, also subjektiven Befindlichkeiten stattgefunden. Heute sei der Euro allerdings ein Teuro, beklagt der Wirtschaftswissenschaftler und beschreibt die Welt der wieder hohen Inflation auch in seinem neuen Buch „Die wundersame Geldvermehrung“.

Doch die Welt der Wirtschaft ist kompliziert, wie sich gerade an dem Beispiel ablesen lässt. Denn der Euro war zumindest nach seiner Einführung in den ersten drei Monaten teilweise ein Teuro, wie sich aus einer Untersuchung des Institutes der deutschen Wirtschaft herauslesen lässt: Zwar ist die Inflation im ersten Euro-Bargeldjahr in Deutschland nur um 1,3 Prozent gestiegen, bestimmte Produkte und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs haben sich aber Anfang 2002 um 4,8 Prozent verteuert. Und Waren wie Bier, Brot, Gemüse, die Kugel Eis oder die Kosten für die Reinigung eines Mantels hatten die meisten nach der
Euro-Einführung besonders im Blick.

Während dieser TeuroWarenkorb, der nur 24 Prozent des gesamtem Inflationspaketes ausmachte, deutlich anzog, stiegen die Preise für die restlichen Güter nach der Untersuchung nur um 1,2 Prozent. Dass die Kosten für Miete, Heizung und Strom Anfang 2002 kaum anzogen, beachteten viele Verbraucherinnen und Verbraucher kaum. Die gefühlte Inflation, wie das Phänomen genannt wird, war zur Euro-Bargeldeinführung deutlich höher als die tatsächliche. Gemüse wurde zu der Zeit zwar vorübergehend um 14,3 Prozent teurer, das lag aber nicht am vermeintlich bösen Euro, sondern an dem ungewöhnlich harten Winter in den Anbau-Gebieten Südeuropas. Am Ende landete die Inflationsrate für das Euro-Bargeld-Geburtsjahr 2002 hierzulande bei einem Wert, der weit unter dem von 2001 von 2,0 Prozent notierte.

Zur Wahrheit gehört auch: Mancher aus dem Einzelhandel oder der Gastronomie, der sich für strategisch besonders weitsichtig und clever hielt, hatte den Preisen schon vor dem Euro-Bargeldstart einen Schubser gegeben, um sich Anfang 2002 nicht als Teuro-Treiber beschimpfen lassen zu müssen, was ihm dann doch widerfuhr. Die aufgewühlte Debatte, in der Hans Eichel als damaliger Bundesfinanzminister Euro-Abzockern im Wahlkampf-Überschwang mit einem Boykott gedroht hatte, ist längst verdrängt.

Manchmal ist es gut, wenn der Euro ein Teuro ist. Auf der Internet-Verkaufsplattform Ebay werden Starterkits, also Euro-Münzen unterschiedlichen Werts in einem Tütchen, mit denen sich die Deutschen an die neue Währung gewöhnen sollten, zum Teil für bis zu 40 Euro angeboten. In Deutschland steckten in dem Behältnis Münzen im Wert von 10,23 Euro.

Waigel dürfte eines der wertvollsten Starterkits besitzen, denn er hat es von Helmut Kohl für seine Kinder signieren lassen. Übrigens: Bei einer Veranstaltung Ende 2001 wurde Hans Eichel als aktuellem Bundesfinanzminister ein solches Euro-Gewöhnungstütchen als Präsent überreicht. Sein Vor-Vorgänger Waigel, der bei dem Event dabei war, sollte zunächst leer ausgehen. Dann machte sich der Bayer einen Spaß daraus und erhob gegen die Vergabe des Starterkits Einspruch, schließlich habe er mehr als Eichel für den Euro getan. Nach der von Waigel erzählten Anekdote erkannte der SPD-Politiker das an und reichte sein Euro-Anfängerpaket an den CSU-Mann weiter. Dabei gibt es aus seinem üppigen Fundus an Euro-Geschichten eine vielleicht noch amüsantere: Danach hat der frühere luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker auf die Idee Waigels, die neue Währung nicht Ecu, was den Franzosen behagt hätte, sondern Euro zu nennen, spöttisch gesagt: „Das klingt nicht so erotisch.“ Der Deutsche konterte nach seiner Erinnerung mit der ebenfalls ironischen Einlassung: „Du bist auch nicht mehr der Jüngste. Hauptsache der Name für die neue Währung klingt eurotisch.“

Ob nun erotisch oder eurotisch, den zur Bundesbank zurückgeflossenen D-Mark-Münzen und -Scheinen wurde ganz unsentimental zugesetzt. Der heutige Leiter der Augsburger Bundesbank-Filiale, Stephan Boosz, gehörte als früherer Beschäftigter der Hauptverwaltung der Notenbank in München der Euro-Taskforce an. Zu der gewaltigen logistischen Aktion gehörte auch die Vernichtung des alten Geldes. Der 60-Jährige erinnert sich: „Wir haben die D-Mark zunächst geschreddert und dann als Konfetti der thermischen Verwertung bei einer Entsorgungsfirma zugeführt.“ Auch heute noch werden die Scheine geschreddert, wenn Bürgerinnen und Bürger etwa in Augsburg das alte Geld gegen Euro eintauschen. Wie groß die Herausforderung für die am Ende gut gelaufene Bargeldumstellung, die größte in der europäischen Geschichte, war, belegen die von Boosz für Bayern genannten Zahlen: Die Bundesbank stellte allein für den Freistaat zur Euro-Einführung 530 Millionen Stück an Banknoten zur Verfügung. Dabei wogen die 2,2 Milliarden ausgegebenen Münzen rund 10.000 Tonnen. Dass die Bargeld-Umstellung derart reibungslos klappte, führt der Bundesbanker „auf den festen Willen aller Beteiligten, die Aktion zum Erfolg zu machen“, zurück.

In einem Land, in dem später der Bau des neuen Berliner Flughafens zum Desaster geriet und die Corona-Impfaktion bis heute immer wieder stottert, ist das eine Erinnerung an harmonischere logistische Zeiten. Es klingt fast wie eine Erzählung aus einem weit zurückliegenden Deutschland, das so fern wirkt wie die D-Mark.

Nachzulesen auf www.augsburger-allgemeine.de.