Hans-Werner Sinn kritisiert „Mogelpackung“ nach SVB-Pleite

Gabor Steingart, Focus online, 14. März 2023.

Prof. Hans-Werner Sinn ist der deutsche Ausnahme-Ökonom, der die bestehenden Verhältnisse nicht nur erklärt, sondern auch kritisiert. Vor dem Hintergrund der Bankenpleite in den USA knöpft sich Sinn die globalen Finanzmärkte vor und die leeren Versprechen der Regierungen.

Der ehemalige Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung nennt die globalen Finanzmärkte „immer noch ein Kasino“ und entlarvt die Aussagen der Regierungen nach der Lehman-Pleite, als man für mehr Stabilität sorgen wollte, als leere Versprechungen.

Zur Pleite der Silicon Valley Bank sagt er:

„Es ist so, wie es immer war: Die Banken arbeiten mit ganz wenig Eigenkapital und gehen bei ihren Ausleihungen ins Risiko. Wenn es gut geht, dann haben sie schöne Erträge, die sie als Dividenden an ihre Eigentümer ausschütten. Wenn es schlecht geht, dann hofft man immer, dass der Staat mit einspringt.“

„Die Kernkapitalquote ist ja selbst eine Mogelpackung“

Von dem Versprechen nach der Lehman-Pleite, dass Banken ihre Eigenkapitalquote, insbesondere die Kernkapitalquote, erhöhen, um einen Risikopuffer zu bilden, hält Sinn wenig:

„Die Kernkapitalquote ist ja selbst eine Mogelpackung. Da wird das Eigenkapital nicht durch die Bilanzsumme geteilt, sondern durch die Summe der risikogewichteten Aktiva. Das ist nicht ganz koscher. Das sind alles komische Berechnungsmethoden, die dringend auf den Prüfstand gehören.“

Zinsen normalisieren sich - Luftnummern platzen

Auch Investitionen in Staatsanleihen – wie bei der Silicon Valley Bank im großen Stil geschehen – zählen zum Eigenkapital, wobei dieser Wert in gefluteten Geldmärkten stetig stieg. In der Phase niedriger Zinsen der vergangenen Jahre sind große Posten dieser festverzinslichen Papiere aufgebaut worden. Die Folge:

„Es entstehen scheinbar große Werte, die als Eigenkapital bei den Banken aufgeführt werden. Aber es sind Luftnummern, die platzen, wenn die Zinsen sich wieder normalisieren. In einer solchen Phase sind wir jetzt.“

„Am Schluss übernimmt der Steuerzahler die Rechnung“

Prof. Sinn beschreibt die Dynamik, die hier in Gang gekommen ist:

„Als Folge des Zinsanstiegs gehen die Marktwerte wieder runter und das führt dann zu einer Gefährdung der Banken bis hin zu Pleiten: Hier sehen wir mal eine. Das wird nicht die Einzige sein, die hier passiert.“

Er glaubt, dass die Amerikaner die Krise beherrschen können und es nicht zum globalen Flächenbrand kommt, aber:

„Es ist halt wie immer: Wenn es dann wirklich brenzlig wird, dann übernimmt am Schluss der Steuerzahler die Rechnung.“

Oder anders formuliert: Im Westen nichts Neues.

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