Geteiltes Echo zum Abschied von Ifo-Chef Sinn

dpa, 22.01.2016

Für die einen ist er ein kluger Denker, der Risiken früh und klar benennt - für andere ein blinder Ideologe. Stimmen zum Abschied von Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn:

  • Christoph Schmidt, Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen: «Hans-Werner Sinn hat es mit Originalität, Konsequenz und Streitbarkeit geschafft, die öffentliche Debatte über wirtschaftspolitische Themen zu beflügeln, häufig sogar zu prägen. Zugleich hat er sich eine so hohe Anerkennung in der Fachwelt bewahrt, wie sie nur wenigen Ökonomen zuteil wird. Von diesem Vorbild kann sich meine, die nachfolgende, Generation eine gehörige Scheibe abschneiden.»
  • Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB): «Hans-Werner Sinn ist ein streitbarer Ökonom, der es nicht scheut, sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Dabei hat er sich oft geirrt. Der Mindestlohn ist kein Jobkiller und Deutschland keine Basar-Ökonomie. Deutsche Unternehmen sind im hohen Maße wettbewerbsfähig, trotz Gewerkschaften und guten Tarifverträgen. In der Finanzmarktkrise hat er durchaus sinnvolle Vorschläge unterbreitet und Konjunkturprogramme gefordert. Warum er diese nicht für Europa insgesamt vorgeschlagen hat und stattdessen leichtfertig einem Grexit das Wort geredet hat, bleibt sein Geheimnis.»
  • Horst Seehofer (CSU), bayerischer Ministerpräsident: «Hans-Werner Sinn hat über ein Vierteljahrhundert hinweg die wirtschaftspolitische Diskussion in Deutschland geprägt. Mit dem ifo-Institut hat Prof. Sinn in München eine Plattform für ökonomische Forschung und Debatten aufgebaut, die in Europa ihresgleichen sucht. Mit klarem Verstand, messerscharfen Analysen und großer ökonomischer Leidenschaft blieb Hans-Werner Sinn immer der unbequemen Wahrheit verpflichtet. Er hat es der Politik nicht immer leicht gemacht. Unmissverständlich und direkt hat er einige der wichtigsten Reformen mitangestoßen, die heute Grundlage unseres soliden wirtschaftlichen Erfolges sind. Als überzeugter Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft hat Hans-Werner Sinn Großes für Wirtschaft und Wissenschaft geleistet!»
  • Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel: «Hans-Werner Sinn ist nicht nur ein hoch intelligenter, kreativer Ökonom, sondern auch ein freundlicher, entgegenkommender, warmherziger und fairer Mensch - jemand, dem Respekt aus beruflicher und persönlicher Sicht gebührt. Er hat ein besonderes Gespür für gesellschaftlich wichtige Themen: Von der Wiedervereinigung über Umweltfragen bis zu den Target-Salden in der Währungsunion hat er immer frühzeitig große Risiken benannt und in die Diskussion gebracht. Er versteht es, seine ökonomischen Meinungen in einen emotionalen Kontext zu stellen, in dem sie leicht verständlich und maximal einflussreich werden. Obwohl er hart um seine Positionen kämpft, ist er immer aufgeschlossen und neugierig, andere Meinungen zu hören. Auch wir hatten mehrfach inhaltliche Auseinandersetzungen, doch dabei ist er mir immer ein hoch geschätzter Freund und Kollege geblieben.»
  • Bernd Riexinger, Vorsitzender der Partei Die Linke: «Kaum ein anderer Ökonom verkörpert die Eigennutzideologie so wortgewaltig wie Hans-Werner Sinn. Sinn steht beispielhaft für Ökonomen, die Ideologie mit Wissenschaft verwechseln und blind gegenüber sozioökonomischen Realitäten sind. Unbeirrt vertrat Sinn wirtschaftliche Irrtümer, wie beispielsweise die Aussetzung des Mindestlohns, um Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. In der Eurokrise trat Sinn vehement für die gescheiterte Kürzungspolitik ein. Ungeniert degradiert der Großökonom Menschen zu Kostenfaktoren und bezeichnet die Einwanderung pauschal als "Verlustgeschäft".»
  • Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin: «Hans-Werner Sinn ist ein guter Wissenschaftler. Er hat das ifo Institut zu einem der führenden Forschungsinstitute in Deutschland und Europa aufgebaut. Und Hans-Werner Sinn ist ein brillianter Kommunikator, der es versteht, wirtschaftspolitische Debatten zu gestalten. Seine Arbeit "Kaltstart", die Anfang der 1990er Jahre zur Wiedervereinigung Deutschlands erschienen ist, hat viele der wirtschaftlichen Probleme korrekt analysiert und vorhergesagt. Auch wenn seine pessimistischen Prognosen zu Deutschland als "Basarökonomie", dem Klimawandel und dem Euro abgewendet werden konnten, so hat er wertvolle Beiträge zum Diskurs und letztlich zu besseren wirtschaftspolitischen Entscheidungen geleistet.»
  • Lutz Goebel, Präsident des Verbands Die Familienunternehmer: «Prof. Sinn hat immer einen klaren Kurs verfolgt. Als ifo-Präsident hat er es verstanden, kein `Sowohl-als-auch'-Ökonom zu sein und sich pointiert zu Wort zu melden. Konsequent hat er sich immer wieder in politische Diskussionen eingemischt, neue Themen aufgedeckt und angestoßen. Im besonderen Maße hat er dazu beigetragen, komplexe Sachverhalte verständlich herunterzubrechen ganz nach der Devise: raus aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm, rein in die Talkshows. (...) Unsere Gesellschaft braucht kluge Denker und scharfe Formulierer.»