Warum große Geldscheine auch unserer Volkswirtschaft nutzen

Hans-Werner Sinn

WirtschaftsWoche, 19.02.2016, S. 43.

Eine Abschaffung des 500-Euro-Scheins wäre schädlich für Deutschland - und würde im Euro-System das Haftungsrisiko der Bundesbank erhöhen.

Dieser Plan schlägt hohe Wellen: Der 500-Euro-Schein soll abgeschafft werden. Dass es dabei im Kern nicht um die Bekämpfung von Kriminellen geht, sondern um den Wunsch der Europäischen Zentralbank (EZB), den Banken die Flucht ins Bargeld zu verbauen, wenn sie ihnen Negativzinsen aufbrummen möchte, hat sich bereits herumgesprochen. Ein anderer wichtiger Aspekt ist bei der Debatte jedoch noch unterbelichtet. Es geht um die Geldschöpfungsgewinne des Euro-Systems, die bei einer Abschaffung des 500-Euro-Scheines empfindlich zurückgehen könnten. 

Zentralbankgeld kommt in Umlauf, indem die Notenbank verzinsliche Wertpapiere oder verzinsliche Forderungen gegen die Geschäftsbanken kauft. Da sie auf die ausgegebenen Banknoten keine Zinsen zahlen muss, fallen Gewinne aus der Geldschöpfung an. Diese werden in der Euro-Zone aufaddiert und anschließend nach dem EZB-Kapitalanteil auf die nationalen Notenbanken verteilt. Wird weniger emittiert, liegt die Last bei den Steuerzahlern, die für fehlende Gewinnausschüttungen des Euro-Systems einstehen müssen. 

Dass man aus bloßem Papier ein echtes Nettovermögen für die Volkswirtschaft machen kann, mag verwundern. Aber das liegt nicht an der Alchemie, sondern an dem Umstand, dass Geld ein wichtiges Transaktionsmittel ist - also eine Art Schmiermittel für den Wirtschaftsmotor, ohne das der Motor gar nicht laufen könnte. Man darf es aber nicht übertreiben: Wenn die EZB mehr Geld ausgibt als für Transaktionen der Euro-Länder benötigt, entsteht üblicherweise Inflation, die das Zuviel an Geld alsbald wieder entwertet. 

Anders ist es, wenn das Geld den Euro-Raum verlässt, dort zur Wertaufbewahrung gehalten wird oder als Ersatzwährung zirkuliert. Dieses Geld ist ein echtes Nettovermögen der Euro-Staaten. Das war auch ein wesentlicher Grund für den 1000-D-Mark-Schein, aus dem der 500-Euro-Schein hervorging. Besonders Gastarbeiter fragten diese Scheine nach, um ihr Erspartes damit in die Heimat zu bringen. Wie einst die 1000-D-Mark-Scheine dürften auch die 500-Euro-Scheine im Wesentlichen unter Matratzen liegen und als Transaktionswährung in Osteuropa Verwendung finden. Zur D-Mark-Zeit zirkulierte ein Drittel der deutschen Banknoten im Ausland. Bei Dollar-Noten dürfte der Anteil noch heute bei mindestens 60 Prozent liegen. Ohne die großen Scheine (die es beim Dollar nicht gibt), hätten weder D-Mark noch Euro dem Dollar solch hohe Marktanteile abnehmen können. 

Es wäre deshalb extrem schädlich, die großen Euro-Scheine abzuschaffen. Der Euro würde einen Teil seines Wettbewerbsvorteils gegenüber dem Dollar einbüßen und als internationale Transaktionswährung in Osteuropa und der Türkei an Bedeutung verlieren. Im Umfang der Verdrängung des Euro-Bargeldes entstünde ein echter Vermögensverlust für die Euro-Zone. Dass in den größten Euro-Scheinen 307 Milliarden Euro gebunden sind, immerhin 28 Prozent des Gesamtbestandes an Bargeld, spricht dafür, dass der Verdrängungseffekt nicht trivial ausfallen dürfte. 

Besonders für die deutschen Steuerzahler könnte der Schritt teuer werden, weil das meiste Euro-Bargeld wegen der vielen Gastarbeiter, aber auch wegen der Touristen, in Deutschland ausgegeben wird. Die Forderungstitel, die die Bundesbank durch die Ausgabe von Bargeld über ihre normale Ausgabequote hinaus erwerben konnte, gehören allen Euro-Ländern gemeinsam. Dafür weist die Bundesbank eine Verbindlichkeit gegenüber dem Euro-System auf. Diese steht auf einer ähnlichen Stufe wie die Verbindlichkeiten der Krisenländer aus einer überproportionalen Ausgabe von elektronischem Geld, die sich in den Target-Salden niederschlagen.

Die Bundesbank hatte Ende 2015 eine Target-Forderung durch Geldzuflüsse aus anderen Ländern von 584 Milliarden Euro. Zugleich besaß sie Bargeld-Verbindlichkeiten von 298 Milliarden Euro. Für die Differenz von 286 Milliarden Euro hat sie Zinsansprüche gegenüber den übrigen Euro-Notenbanken. Mit diesem Betrag steht die Bundesbank im Risiko, sollte der Euro zerbrechen. Dann würde sie ihre Forderungen gegenüber dem Euro-System wohl abschreiben müssen. 

Das Verlustrisiko der Bundesbank und damit das finanzielle Risiko für die Steuerzahler ist also umso größer, je weniger Euro-Bargeld außerhalb der EU zirkuliert. Am Verschwinden der 500-Euro-Note können wir daher kein Interesse haben.

Nachzulesen auf www.wiwo.de