Die raffinierten Steuerpläne von Donald Trump

Statt Zölle zu erhöhen, könnten die USA Importe auch über ihr Steuersystem verteuern. Wie eine solche Cashflow-Steuer funktioniert - und was sie bewirkt.
Hans-Werner Sinn

Wirtschaftswoche, 27.01.2017, S. 39

Der neue US-Präsident hat die deutschen Autobauer mit der Bemerkung schockiert, dass die Importe der USA mit einer Steuer von 35 Prozent belastet werden sollen. Bei genauerem Hinsehen ist der Vorschlag aber weniger abenteuerlich, als er auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn vermutlich sind die 35 Prozent nicht als Importzoll zu verstehen, wie viele meinen - sondern als Teil eines neuen, an die Mehrwertsteuer erinnernden Steuersystems. Die USA haben nämlich die Möglichkeiten für Zölle, die ihnen das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) gewährt, bereits weitgehend ausgeschöpft. Den derzeit im Durchschnitt vorliegenden Importzoll von etwa 2,5 Prozent können sie kaum noch erhöhen. Und aus dem GATT und der Welthandelsorganisation WTO auszusteigen wäre selbst für einen wagnisbereiten Wirtschaftsboss wie Donald Trump ein riskantes Unterfangen.

Was hinter der Ankündigung stehen könnte, ist vielmehr ein Mechanismus des Grenzausgleichs einer neuen (realwirtschaftlichen) Cashflow-Steuer. Eine solche Steuer hat Paul Ryan, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, 2016 (nicht ohne Abstimmung mit Trump) als Ersatz für die Körperschaftsteuer vorgeschlagen.

Der realwirtschaftliche Cashflow eines Unternehmens ist definiert als inländische Verkaufserlöse abzüglich der Ausgaben für inländische Vorleistungen, Löhne und Investitionen. Gegenüber dem heutigen Steuersystem der USA bedeutet die Besteuerung des Cashflows vor allem, dass eine Sofortabschreibung von Investitionen eingeführt wird, während Schuldzinsen nicht mehr absetzbar sind. Der Grenzausgleich bedeutet aber auch, dass Exporterlöse steuerfrei bleiben, während Erlöse aus dem Weiterverkauf von Importware an Konsumenten der Besteuerung unterliegen, ohne dass die Importe steuerlich absetzbar sind. Die ausländische Wertschöpfung wird also mit der inländischen Steuer nachbelastet - und die inländische Wertschöpfung, die in den Exportgütern steckt, bleibt steuerfrei.

Dieser Grenzausgleich ist zwingend erforderlich, wenn man in der Kombination aus der Lohnsteuer und der Cashflow-Steuer letztlich eine Steuer auf den inländischen Konsum statt auf das Einkommen der Volkswirtschaft erreichen möchte. Dies ist das erklärte Ziel der Befürworter einer Cashflow-Steuer. Kritiker mutmaßen zwar, dass in diesem Grenzausgleich eine Diskriminierung der Importe gegenüber der inländischen Produktion liegt. Das ist aber nicht wirklich der Fall, denn es gehört selbstverständlich zum Wesen der Cashflow-Steuer, dass die in- und ausländische Wertschöpfung nur einmal mit der inländischen Steuer belastet wird. Es stimmt zwar, dass ein deutsches Auto, das von einem amerikanischen Händler an einen Konsumenten verkauft wird, mit dem vollen Steuersatz belastet wird, möglicherweise den 35 Prozent, die Trump erwähnte. Doch gilt dieser Steuersatz genauso für ein US-Auto, das an ihn verkauft wird. Es ist auch nicht so, dass das deutsche Auto zweimal in den USA besteuert wird, beim Import und noch einmal beim Weiterverkauf des Händlers. Deshalb werden auch die Regeln des GATT nicht verletzt.

Im Übrigen werden in- und ausländische Güter, die an Investoren verkauft werden, wegen der Sofortabschreibung grundsätzlich nicht besteuert. So gesehen braucht sich der deutsche Maschinenbau keine Sorgen zu machen. Im Gegenteil, seine Waren werden bei einer Cashflow-Steuer gegenüber dem Status quo sogar entlastet. Sicher: Man kann bei den Verkäufen an die Konsumenten eine Diskriminierung darin sehen, dass der deutsche Hersteller bereits in Deutschland eine Einkommensteuer auf seine Wertschöpfung gezahlt hat. Aber das ist ein deutsches und nicht ein amerikanisches Problem. Die Deutschen können ja genauso verfahren.

Um die angekündigte Steuerreform zu verstehen, lohnt ein Blick auf die europäische Mehrwertsteuer. Auch sie ist eine Konsumsteuer, die eine Sofortabschreibung der Investitionen erlaubt und unabhängig von der möglichen Besteuerung der Importware im Ausland den gleichen steuerlichen Grenzausgleich hat, wie ihn die USA erwägen. Wenn Europa, wofür viel spräche, nicht auch eine Cashflow-Steuer einführen möchte, könnte es seine Mehrwertsteuersätze erhöhen und im Gegenzug die Einkommensteuersätze senken. Das würde die Doppelbelastung europäischer Exporte nach Amerika reduzieren. Zusammen mit einer Dollar-Aufwertung, die die wahrscheinliche Folge der US-Reform ist, bliebe dann kein Nachteil für europäische Exporteure mehr übrig.

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