Trump, Reagan und die Zinswende

Die US-Steuersenkungen werden wie schon in den 80er-Jahren den Dollar stärken. Vor allem für Südeuropa und die Schwellenländer entstehen hohe Risiken.
Hans-Werner Sinn

Handelsblatt (ref. Project Syndicate), 2. Oktober 2018, S. 48.

Wiederholt sich die Geschichte? Als Präsident Reagan 1981 sein Amt übernahm, senkte er die Höchstsätze der Körperschaftsteuer und die persönliche Einkommensteuer, und er erlaubte eine Fast-Sofortabschreibung von Ausrüstungsinvestitionen. Da er zugleich begann, die Wirtschaft zu deregulieren, konnte er seine Politik „Angebotspolitik“ nennen, doch in Wahrheit realisierte er das bis dahin größte keynesianische Konjunkturprogramm aller Zeiten.

Zwar berief er sich auf den Laffer-Effekt, nach dem sich Steuersenkungen durch den von ihnen ausgelösten Boom angeblich selbst finanzieren. Doch die Realität war ernüchternd.

Über zwei Legislaturperioden hinweg verdoppelte er die Defizitquote des Staates im Vergleich zu den zwei vorangehenden Perioden, und die Staatsschuld wuchs um viele Hunderte Milliarden Dollar über das hinaus, was ohne die Reformen realisiert worden wäre. Die Wirtschaft kam ab der Mitte seiner ersten Amtsperiode gewaltig in Fahrt. Reagan wurde zum Helden der Wirtschaft.

Die Kehrseite des Booms war ein rascher Zinsanstieg. Die Realzinsen für zehnjährige US-Staatspapiere, die noch in den 1970er-Jahren meistens unter zwei Prozent lagen und temporär sogar negativ waren, schossen auf einmal hoch und erreichten bereits 1982 einen Wert von sieben Prozent, der in den Folgejahren sogar noch übertroffen wurde.

Der Außenwert des Dollars stieg im Vergleich zu den meisten anderen Währungen der Welt. Bis 1982 hatte dieser Wert sich relativ zur D-Mark um die Hälfte erhöht und bis zum Ende der ersten Amtszeit Reagans sogar auf das Doppelte.

Der Kursanstieg brachte auf der ganzen Welt viele Banken und ganze Volkswirtschaften, die sich in Dollar verschuldet hatten, in Schwierigkeiten, weil sie in heimischer Währung bilanzieren mussten und nun durch die Aufwertung ihrer Passiva plötzlich sehr viel Eigenkapital verloren. 1982 ging Mexiko in Konkurs, und kurz darauf folgten Brasilien, Argentinien und Chile. Fast alle lateinamerikanischen Länder hatten sich in den 1970er-Jahren hemmungslos in Dollar verschuldet und strauchelten.

In Europa waren die Folgen weniger dramatisch, weil man nicht in Dollar verschuldet war. Doch konnte sich Europa dem Zinsanstieg nicht verwehren, ohne eine noch stärkere Abwertung der eigenen Währungen zu riskieren. Die Folge war eine jähe Abschwächung des Baubooms, der in einigen Ländern, vor allem Deutschland, in den 1970er-Jahren geherrscht hatte.

All dies sollte man vor Augen haben, um die gewaltige Steuerreform einzuschätzen, die in den USA realisiert wurde: eine Reform, die den Körperschaftsteuersatz von 35 Prozent auf 21 Prozent senkte, wiederum Fast-Sofortabschreibungen für Ausrüstungsgüter vorsah, außerdem die Steuern auf repatriierte Gewinne von US-Unternehmen abschaffte und ein Budgetdefizit von 1900 Milliarden Dollar in einer Dekade hervorbringen könnte.

Besonders deutlich werden die Parallelen bei der Wirtschaftsentwicklung. So liegt das Wachstum der USA derzeit bei einem Wert von vier Prozent, der aus europäischer Sicht schon astronomisch anmutet. Und die Zinsen sind weiter im Aufwind. Während es zwischen amerikanischen und deutschen Staatspapieren um die Jahre 2011/2012 gar keine nennenswerten Renditedifferenzen gab, liegen diese Differenzen nun bei circa drei Prozentpunkten.

Die Abwärtsbewegung des Euros dürfte sich fortsetzen

Der Zinstrend hat sich seit dem Sommer 2017, als klar wurde, dass die Steuerreform kommen würde, stark beschleunigt. Auch der Wechselkurs hat bereits reagiert. So schlug die Aufwärtsbewegung des Euros, die im Jahr 2017 dominierte, mit dem Beginn des Jahres 2018 in eine Abwärtsbewegung um.

Diese Abwärtsbewegung wird sich vermutlich fortsetzen, obwohl der Euro bereits unterbewertet ist, weil die EZB sich entschlossen hat, die Zinsen zumindest am kurzen Ende vorläufig bei null zu belassen, während der Zentralbankzins der Fed schon wieder auf zwei Prozent gestiegen ist.

Die Dramatik der Kursentwicklungen muss nicht die Zeit unter Reagan wiederholen, sie könnte aber erhebliche Ausmaße annehmen und würde dann wiederum einige Länder, die stark in Dollar verschuldet sind, unter Druck setzten.

Die gegenwärtigen Währungskrisen in Argentinien und der Türkei – zwei Länder, die auch schon 1982 dabei waren – haben mit einem raschen Währungsverfall und nur noch schwer beherrschbaren Fremdwährungskrediten zu tun. Indonesien, Südafrika und manch andere Schwellenländer sind gefährdet. Südeuropa kann auch keine höheren Zinsen vertragen. Gefahr liegt in der Luft.

Nachzulesen auf www.handelsblatt.com und www.project-syndicate.org.