Leserbrief von Prof. Wolfram F. Richter

...als Antwort auf die Rezension von Ulrike Herrmann vom 10. Juni 2018, taz online

Frau Herrmann muss es hart angegangen sein, die Autobiografie von Hans-Werner Sinn zu lesen. Auf 672 Seiten findet sie nichts, was einer wohlwollenden Erwähnung wert wäre. Dagegen habe ich persönlich die Biografie ausgesprochen gerne und mit großem Gewinn gelesen. Eine derartige Mischung von Unterhaltsamem aus dem privaten Bereich und von Lehrreichem aus der Volkswirtschaftslehre findet man selten. Nun ist es das gute Recht von Frau Herrmann, ein Buch, das sie nicht mag, zu verreißen. Nicht richtig ist es aber, die Faktenlage falsch darzustellen.

Das gilt zunächst einmal für Frau Herrmanns Aussage, es könne nicht sein, dass das BIP pro Kopf in Großbritannien im Jahr 1977 nur etwa halb so groß gewesen sei wie der entsprechende deutsche Wert, wie es Sinn in seiner Autobiographie schreibt. Wäre das so gewesen, wären die Briten ärmer als die Griechen gewesen, die damals noch auf ihren Eseln aus Feld ritten, meint sie. Tatsächlich lag das britische BIP pro Kopf bei 53% des westdeutschen Wertes (inklusive West-Berlin) und also bei etwa der Hälfte. Bei solcher Faktenlage Sinns Darstellung als „platterdings Unsinn“ zu bezeichnen, ist nicht nachvollziehbar. Angemerkt sei, dass das britische BIP pro Kopf bis zum Jahr 2017 auf 89% des gesamtdeutschen Werts angestiegen ist. Auf diesen deutlichen Wachstumsunterschied als Folge von Politik hinzuweisen, war Sinns Anliegen.

Völlig irreführend stellt Frau Herrmann Sinns Warnung vor einer übermäßigen Risikoneigung der Banken dar. Die Tatsache, dass Hans-Werner Sinn einer der wenigen Wirtschaftskundigen ist, der schon früh – unideologisch und mit Sachargumenten – vor den Gefahren deregulierter Kapitalmärkte warnte, verkehrt sie ins genaue Gegenteil. Er habe „die falschen Kontinente im Blick“ gehabt, sei einem „fatalen Irrtum“ erlegen und versuche nun, diesen zu „retuschieren“.

Erste Hinweise auf die Gefahren deregulierter Kapitalmärkte bei unzureichender Eigenkapitalausstattung finden sich bereits in Sinns Dissertation von 1977. Im Jahr 2003 publizierte er dann in der Fachzeitschrift „Finanzarchiv“ einen Aufsatz mit dem Titel „Risikonahme, Haftungsbeschränkung und Wettbewerb der Bankenregulierer“. Das ist der Aufsatz, auf den sich Frau Herrmann bezieht. In diesem auf Englisch verfassten und von mir herausgegebenen Aufsatz warnt Sinn eindringlich vor den Folgen der Deregulierung. Es bestünde die große Gefahr, dass der internationale Regulierungswettbewerb im Bankenmarkt zu einem Laschheitswettbewerb entarte. Man könne und dürfe nicht erwarten, dass die Gründe, die den nationalen Gesetzgeber veranlasst haben, das Bankengeschäft zu regulieren, auf internationaler Ebene einfach entfallen.

Die Asienkrise der 1980ger Jahre führt er in dem Aufsatz als Beleg für die Richtigkeit seiner Thesen an. Es kann aber nicht die Rede davon sein, dass er in Asien eine neue Krise prognostiziert und sich insofern im Kontinent vertan hatte, wie Frau Herrmann meint.

Sinns Aufsatz ist ein Plädoyer für eine verstärkte internationale Regulierung der Kapitalmärkte. Daran haben sich liberale Ökonomen gestoßen, die eher den Kräften des regulatorischen Wettbewerbs vertrauten und die Gefahr einer übermäßigen Deregulierung verneinten. Die kontroverse Diskussion, die das Finanzarchiv damals abdruckte, zeigt in aller Deutlichkeit, dass sich Frau Herrmann bei der Einordnung von Sinn im Vorzeichen vertan hat. Tatsächlich hat er eine Pionierarbeit zu den Gefahren einer Deregulierung im Bankensystem geschrieben. Schade übrigens, dass solche Fachdebatten von Politik und Medien nicht verfolgt werden. Es muss wohl erst das Kind im Brunnen liegen, bevor man die Bedeutung erkennt, aber selbst dann wollen sich manche Kommentatoren ihre lieb gewonnenen „neoliberalen“ Feindbilder offenbar nicht nehmen lassen.

Frau Herrmann muss es hart angegangen sein, die Autobiografie von Hans-Werner Sinn zu lesen. Auf 672 Seiten findet sie nichts, was einer wohlwollenden Erwähnung wert wäre. Dagegen habe ich persönlich die Biografie ausgesprochen gerne und mit großem Gewinn gelesen. Eine derartige Mischung von Unterhaltsamem aus dem privaten Bereich und von Lehrreichem aus der Volkswirtschaftslehre findet man selten. Nun ist es das gute Recht von Frau Herrmann, ein Buch, das sie nicht mag, zu verreißen. Nicht richtig ist es aber, die Faktenlage falsch darzustellen.

Das gilt zunächst einmal für Frau Herrmanns Aussage, es könne nicht sein, dass das BIP pro Kopf in Großbritannien im Jahr 1977 nur etwa halb so groß gewesen sei wie der entsprechende deutsche Wert, wie es Sinn in seiner Autobiographie schreibt. Wäre das so gewesen, wären die Briten ärmer als die Griechen gewesen, die damals noch auf ihren Eseln aus Feld ritten, meint sie. Tatsächlich lag das britische BIP pro Kopf bei 53% des westdeutschen Wertes (inklusive West-Berlin) und also bei etwa der Hälfte. Bei solcher Faktenlage Sinns Darstellung als „platterdings Unsinn“ zu bezeichnen, ist nicht nachvollziehbar. Angemerkt sei, dass das britische BIP pro Kopf bis zum Jahr 2017 auf 89% des gesamtdeutschen Werts angestiegen ist. Auf diesen deutlichen Wachstumsunterschied als Folge von Politik hinzuweisen, war Sinns Anliegen.

Völlig irreführend stellt Frau Herrmann Sinns Warnung vor einer übermäßigen Risikoneigung der Banken dar. Die Tatsache, dass Hans-Werner Sinn einer der wenigen Wirtschaftskundigen ist, der schon früh – unideologisch und mit Sachargumenten – vor den Gefahren deregulierter Kapitalmärkte warnte, verkehrt sie ins genaue Gegenteil. Er habe „die falschen Kontinente im Blick“ gehabt, sei einem „fatalen Irrtum“ erlegen und versuche nun, diesen zu „retuschieren“.

Erste Hinweise auf die Gefahren deregulierter Kapitalmärkte bei unzureichender Eigenkapitalausstattung finden sich bereits in Sinns Dissertation von 1977. Im Jahr 2003 publizierte er dann in der Fachzeitschrift „Finanzarchiv“ einen Aufsatz mit dem Titel „Risikonahme, Haftungsbeschränkung und Wettbewerb der Bankenregulierer“. Das ist der Aufsatz, auf den sich Frau Herrmann bezieht. In diesem auf Englisch verfassten und von mir herausgegebenen Aufsatz warnt Sinn eindringlich vor den Folgen der Deregulierung. Es bestünde die große Gefahr, dass der internationale Regulierungswettbewerb im Bankenmarkt zu einem Laschheitswettbewerb entarte. Man könne und dürfe nicht erwarten, dass die Gründe, die den nationalen Gesetzgeber veranlasst haben, das Bankengeschäft zu regulieren, auf internationaler Ebene einfach entfallen.

Die Asienkrise der 1980ger Jahre führt er in dem Aufsatz als Beleg für die Richtigkeit seiner Thesen an. Es kann aber nicht die Rede davon sein, dass er in Asien eine neue Krise prognostiziert und sich insofern im Kontinent vertan hatte, wie Frau Herrmann meint.

Sinns Aufsatz ist ein Plädoyer für eine verstärkte internationale Regulierung der Kapitalmärkte. Daran haben sich liberale Ökonomen gestoßen, die eher den Kräften des regulatorischen Wettbewerbs vertrauten und die Gefahr einer übermäßigen Deregulierung verneinten. Die kontroverse Diskussion, die das Finanzarchiv damals abdruckte, zeigt in aller Deutlichkeit, dass sich Frau Herrmann bei der Einordnung von Sinn im Vorzeichen vertan hat. Tatsächlich hat er eine Pionierarbeit zu den Gefahren einer Deregulierung im Bankensystem geschrieben. Schade übrigens, dass solche Fachdebatten von Politik und Medien nicht verfolgt werden. Es muss wohl erst das Kind im Brunnen liegen, bevor man die Bedeutung erkennt, aber selbst dann wollen sich manche Kommentatoren ihre lieb gewonnenen „neoliberalen“ Feindbilder offenbar nicht nehmen lassen.

Zur Dokumentation der inhaltlichen Kontroverse des Artikels von Ulrike Herrmann